„Das kleine Stadtviertel“ in einem Haus

Gunzenhausen – Die Gunzenhäuserin Christa Milke berichtet als Zeitzeugin von ihrem Leben im „Haus Silo“ in Gunzenhausen. Sie zog damals 1953 als dreijähriges Mädchen mit ihren Eltern in den vierten Stock im Mittelteil des Hauses Silo ein. Sie weiß als Zeitzeugin, dass in den 1950zigerJahren verschiedene Einrichtungen auf einen Zeitraum getagt haben.

Foto: Christa Milke

Aus meiner Sicht schelmisch ausgedrückt beinhaltete das „Haus Silo“ in sich ein kleines Stadtviertel. Zu meiner Kinderzeit gab es im Parterre einen Hort, mit einem Minigarten, der in der Bahnhofstraße herausragte, ein kleiner Auslaufkäfig im Grünen. Gegenüber vom Hort führte eine Tür zum großen Raum der Nähschule, da ca. an die 10 Frauen ihr Geschick unter der Führung einer Diakonisse verwirklichten. Links davor diente die Küche die gleichsam im Parterre ihren Sitz hatte mit Aufzugschacht für Essensausgabe . Eine Hausschwester mit Haustöchtern versorgten daraus die Bewohner des Hauses. Außer den Angestellten, die zur Miete wohnten. Frühstück, das fertige Mittagsessen, wie der Nachmittagskaffee mit Kuchen und das Abendessen, überbrachte ein Fahrkurier täglich, zwei bis drei mal aus der Großküche vom Mutterhaus „Hensoltshöhe“. zum Haus-Silo. Graue Decken hielten die Gerichte heiß, um diese noch Thermisch auf den Tisch für das Seminar der Kindergärtnerinnen wie den Schwestern zu servieren. Das Kurierauto stand in der Silo-Garage. Praktisch ,ein Taxistand im Kleinen. Der Fahrer, mein Vater, wohnte im Haus. Auf Anruf, sowie zu Dienstzeiten, fuhr das Gefährt ebenfalls Diakonissen, Kurgäste, Besucher, und deren Koffer, wie Einkäufe aus der Stadt und zu Ärzten. Ebenso lieferte es Eisblöcke von der Brauerei, damit die Kühlschränke im Hause Silo, permanent mit Eisblöcken kühl blieben. Das war der Komfort nach dem Krieg. Auf der anderen Hälfte des Silotrakts, die eine Treppe im Mittelpunkt des Hauses teilte, fungierte der Kindergarten.

Die Organisation, „Blaues Kreuz, die Trunksüchtige auf ihrem Weg begleiteten und zur Trockenheit verhelfen wollten, hatten im Haus Silo mitunter auch ihren Platz. Die damalige Schwester Maria packte gespendete Kleidungsstücke und anderes in Säcke und Pakete und lagerte diese in einem trockenen Kellerraum, um im Notfall zu vergeben. Bettler wenn sie bedürftig gewesen sind, erwarben in diesem Haus, Essen und Kleidung.

Eine Vorstufe der heutigen Tafel, eines diakonischen Ladens. Im ersten Stock fungierte mit eingebunden der „ambulante Krankendienst“ der eine zusätzliche Aufgabe an die Gemeindeschwester forderte.

Gegenüber dieser landeskirchlichen Einrichtung im Hausflur befand sich der Eingang zum Esszimmer, die Schulungsräume und Büro für die Seminaristinnen und deren Leitung. Im zweiten Stock harrten die Schlafräume der Schülerinnen und deren Lehrkräfte, die meist Diakonissen gewesen sind. Im dritten Stock steckte ein Altersheim, das von Schwestern der Hensoltshöhe geführt wurde. Gegenüber gab es eine Betriebswohnung. Ebenfalls eine Betriebs-Wohnung im vierten Stockwerk. Da wohnten wir. Unsere Wohnung war mittig, links und rechts vom Dachboden eingebettet. Mietwohnungen für die Angestellten des Mutterhaus Hensoltshöhe punkteten für diese Zeit schon komfortabel, da sie mit Heizung und warmes Wasser eine Plusausstattung boten. Was in der damaligen Zeit nach dem Krieg kaum Standard gewesen ist. Die Fenster hatten Winterfenster. Bei schweren Stürmen wurde Einsatz gefordert, mit vereinten Kräften von Vater und Mutter mussten die Fenster von innen dem mächtigen Wind gegen gehalten werden, um sie zu retten und sei es mit der Verstärkung eines Besenstiels. Wir Kinder drückten hinterdrein.

Eine Bombendrohung wies uns einmal für einige Stunden aus dem Haus, bis eine Entwarnung alles aufhob. Erdbeben stellte ebenfalls das Haus Silo fernerhin auf den Prüfstand. Da rutschten die Betten im Kinderzimmer, wie der Tisch hin und her, Bücher fielen vom Regal, da war guter Rat teuer jetzt vier Stockwerke hinunter zulaufen? Oben zu bleiben? Beides hatte die Bedrohung vom Hausbruch verschüttet zu werden Glücklicherweise hielt das „Haus Silo“ stand. Apropos Erdbeben. Mit zwölf Jahren kam ich nach Rückersdorf zur Erholung in eine Einrichtung. Hier fragte der Lehrer, der vier Klassen gleichzeitig unterrichtete und mich als neue Schülerin vorstellte, aus welchem Ort ich käme, als ich Gunzenhausen antwortet sprach er, Gunzenhausen kenne ich, da habe ich in einem Haus Namens „Silo“ am Ende des Krieges übernachtet, hier überraschte mich nachts ein Erdbeben. Das ist mein Zuhause, klärte ich ihn auf. Dieser Lehrer hatte ebenfalls ein Erdbeben im „Haus Silo“ erlebt. Das einzige Schwierige in meiner elterlichen Wohnung im „Haus Silo“, trotz der vielen Annehmlichkeiten, wozu ein Haustelefon gehörte, mussten wir in Kauf nehmen, dass durch die Wohnung unerwartet zu allen Tages und Abendstunden plötzlich jemand im Flur stehen könnte. Trotz Haustelefon wurden diese Diakonissen die ihren leeren Koffer vom Urlaub herbrachten, oder für den Urlaub herausholten nicht angemeldet. Obwohl sie im Mutterhaus ihren Wohnsitz hatten, waren deren Koffer im Haus Silo am Dachboden der nur über unsere Wohnung zu erlangen war, untergebracht. Höfliche klingelten an unserer Flurglocke, um uns nicht zu überraschen. Andere sperrten auf und liefen unverfroren durch unsere Wohnung. Mit einigen führte es bei der Begegnung zu netten Gesprächen. Auf der Hut zu sein ist all weil gut gewesen, wenn wir vom Zimmer ins Bad, oder vom Bad ins Zimmer zurück wollten. Ab und zu hat sich gerne eine Diakonisse in unseren Zimmern aus Neugier verirrt.In der anderen Mietwohnung des dritten Stockwerkes erging es den Personen ebenso.

Kulturelle Veranstaltungen fehlten im Haus Silo nicht. Theatervorstellungen fanden durch Kindergarten, Seminar, sowie von der landeskirchlichen Gemeinschaft statt. Für Konferenztage funktionierte sich das Haus Silo zur Osterzeit zum Sammellager, Jugendherberge für die jungen Teilnehmer der Osterkonferenz um. Ein riesiger Aufwand und Stress war damit verbunden,es betraf vor allem die Haustöchter die Säle wie Nebengebäude mit Matratzen zu belegen. Freiwillige wurden gebeten zu helfen, die mit harten Plätzchen aus der Weihnachtszeit und frischem Tee in der Pause belohnt wurden. Es ist erstaunlich, was die vorhandenen Räume im Hause Silo her gaben. Ca. drei Hausmädchen verrichteten die anfallenden vielen Arbeiten im ganzen Haus, (damals ohne Geschirrspüler!) Über uns im fünften Stock befanden sich ihre Zimmer. Eine Aussage von einer damals 14 jährigen Haustochter, die heute über 70 Jahre alt ist. „Wir standen schon um fünf Uhr morgens auf. Unsere Arbeit begann um sechs Uhr, die mit einer Andacht davor bestückt wurde. Bis 19 Uhr mussten wir Haustöchter sehr hart unter Strenge arbeiten. Abends in den Versammlungen bin ich oft vor Müdigkeit eingeschlafen. Es gab so ca. 13 Uhr 30 bis14 Uhr 30 eine Freistunde am Tag. Alle vier Wochen bekamen wir einen Sonntag frei. Soweit die Aussage.

Jungschargruppe und Kinderstundenräume hatten links außen ihren eigenen Eingang vom „Haus Silo,“ noch der Jugendkreis, der sich EC nannte, lag wie all die anderen, in separaten Räumen. Es gab Freitag die Chorstunde, hier fand sich ein Raum, den sonst die EC Mitglieder benutzten. Es gab die Frauenstunde und die Männerstunde, da trafen sich im biblischem Sinne Männer und Frauen getrennt in Nebenräumen. Die Sonntags mit der geöffneten Schiebetüre zu einem großem Gemeinschaftsraum für die „Stunde-Besucher“ bereitgestellt wurde. Auch für Posaunenbläser gab es einen Raum. Das Haus Silo bot, sah man aus dem Fenster, einen ausgezeichneten Ausblick über die Altmühlauen. Flötenunterricht gab es im Hort. Im Haus Silo verzog sich ein facettenreiches Leben.

Liefen wir an der Stadtgrenze im Winter auf dem zugefrorenen Bärenwirtsweiher Schlittschuh, konnte unsere Mutter von dem hohen Mittelteil des Silos, mit einem Fernglas uns beobachten, um ihre Befürchtungen abzuschalten.. Für uns hieß – im Spaß – hin und wieder zum Fenster zu gucken. Winkte sie mit einem weißen Tuch, hieß das, wir müssen jetzt nach Hause. Das heutige Ärztehaus stand noch nicht im Wege. (Kommunikation ohne Handy!) Spielten wir im Sommer in unserem Hof vom Haus Silo, und hatten Hunger oder Durst, gab es die Besonderheit, um nicht die vier Stockwerke zu bezwingen, dass Mutter mit einem Seil den Korb samt Speise, Spielzeug oder Bücher vom vierten Stock herunter ließ. Mit Laufstall, Kissen und Decken bauten wir uns hin und wieder, wenn das Wetter passend sich zeigte, ein Reich im Hof zum Spielen auf. Durch die Güte der Leiterin des Seminars Schwester Emma wurden wir gelegentlich von ihr mit Süßigkeiten, oder Schokoladenpudding mit Sahnehäubchen überrascht. Der Silo-Hof war etwas trist. Es gab keine grünen Flächen. Jedoch auf der Vorderseite vor dem Haus lag der Stadtgarten mit seinen Grünflächen. Im abgegrenztem Hof des Silos konnten wir sicher vor dem Straßenverkehr Fahrrad fahren. Ein Übungsort für unsere nicht ungefährlichen Kunststücke einhändig, stehend auszuprobieren. Wie schon erwähnt führte das Regiment im Hause Silo eine Hausschwester. Eine Herzensgute, die Kinder verstand. Im Winter durften wir Iglu bauen. Unseren Unterschlupf im Frühjahr, Sommer mit Decken und Kissen im Hof belassen. Ihre Nachfolgerin war etwas derber. Da wehte ein anderer Wind. Durch Sicherheitsgründen gingen Freiheiten verloren. Das „Aus“, im Hof Schnee zu haben. Angenehme Möglichkeiten schenkten uns warme Tage .Hier werkelten Seminaristinnen im Hof des schönen Wetters wegen, Sie munterten uns auf beim Batiken und Holzarbeiten mitzuwirken. Das erweiterte unseren Horizont und vertrieb die Langeweile. Jährlichen Ausstellungen bot das Haus Silo von den Künsten und Basteleien ihrer Schülerinnen der Öffentlichkeit an. Stets, außer in der Nacht, (da waren die Türen abgesperrt,) saß eine Diakonisse am Eingang, um das Ein- und Ausgehen jedes Passanten zu überprüfen… wo sie denn hin wollten zu erfragen . Da kam dann schon mal vor, dass eine neue Diakonisse nicht wusste, dass wir zum Haus gehörten. Bei der Bestätigung durften wir rein. Im Gewölbekeller liefen wir als kleine Auskundschafter durch die vielen geheimnisvollen Gänge, die im Keller bis unter den Hof zum Obergeschoss bis zum Ende des Gebäudetrakts in Verbindung standen. Es war spannend hier herumzugeistern. Ein wunderbarer Hochsitz war das Haus Silo zum herunter sehen bei Besonderheiten auf der Straße. Ein Zentrum an dem die Festzüge vorbeizogen. Fuhren Panzer schepperte in den Schränken das Geschirr. Es war ein vielseitiges Haus. Wir hatten Ansprechpartner und lagen mit dem Haus voll im Zentrum. Vom Silohof aus konnte man die nette kleine Alleeinsel in der Nürnberger Straße zwischen Silo und den Geschäften als grünen Augenschmaus mitten im Verkehr sehen. Wir liebten diese Insel und stiegen als Kinder manchmal darüber. Links davon stand das Bettengeschäft Elterlein. Hinter der Grünen Insel versteckt erhob sich der Mini- Milchladen da links nachbarschaftlich ein kleiner Bauernhof, der Pferde besaß, an grenzte. Rechts leuchtete der Lebensmittelladen “ SPAR“. das Geschäftshaus Zanzinger, wie eine Drogerie um die Ecke. Vor der Haustür von „Silo“ gegenüber gab es eine Bäckerei und Lotto-Toto-Laden mit Schreibutensilien.

Die Stephanie-Schule war gleichermaßen nah. Fehlte ein Schulheft, konnten wir schnell es noch von zu Hause holen, das bedeutete die 75 Steinstufen zum vierten Stock im Haus Silo nach oben zu hetzen. All dies umkreiste das Haus Silo. Es lag voll im Zentrum, was man zum Leben brauchte. In der Eingangspforte vom Haus Silo, versteckte sich noch ein Nebenraum, da nachts die Pförtnerin (Diakonisse)als Nachtwächter ruhte, um bei Bedarf, nachts jemanden ins Haus zu lassen, bei Gefährlichkeit, es zu melden. Die Portierstelle war gleichsam eine Mini- Poststelle, ein Sammelplatz für die Post. Briefe wurden im Haus an die Angeschriebenen weitergeleitet und Briefmarken ließen sich hier kaufen. Ebenso Briefpapier und Kuverts. Die frankierten Briefe angenommen und zur Posthauptstelle weiter befördert. Die zwei , drei Telefone auf dem Schreibtisch in diesem Raum funktionierten als Telefonzentrale. Hier bestand die Möglichkeit, auf all die Stationen im Haus, wie in die Ferne zu telefonieren. Ein Vorteil, denn Telefone in dieser damaligen Zeit gab es selten in privaten Häusern. Meist war eine Diakonisse im Raum beim Gespräch anwesend. (Telefonüberwachung)

Das „Stadtviertel Silo“,(im bildlichem Sinne) besaß zusammengefasst:

Kindergarten, Seminar, Kunstpräsentationen, Altersheim, Blaues Kreuz, Mietwohnungen, ein Mini- Taxiunternehmen, Hauswirtschaftliche Ausbildung, (Haustöchter)Hotelküche, kulturelle Veranstaltungen, kirchliche Einrichtung, Theater, Aula, ambulante Krankenpflege“ Post und Telefonzentrale, gelegentlich Jugendherberge und Nachtwächter und noch so einiges.

Mit dem Satz „Haus Silo ein kleines zentrumsnahes Stadtviertel“ schließe ich die Chronik.

Soweit der Bericht der Zeitzeugin Christa Milke. Einige dieser Erlebnisse lassen sich in ihrem Buch: „Das merkwürdige Leben der Annemarie vom Moritzberg“ nachlesen. Darin die Autorin Christa Milke verschiedene Szenen aus dem Hause Silo beschreibt.

Bei Interesse ist in der Stadt- und Schulbücherei Gunzenhausen zum Ausleihen vorhanden.

Quelle und Bild: Christa Milke

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert