Barrierefrei durch Gunzenhausen – öffentlicher Raum im Praxistest

Gunzenhausen – Sperriger Name, große Bedeutung: Seit 2016 fordert das Behindertengleichstellungsgesetz Barrierefreiheit im öffentlichen Raum, d.h. öffentliche Wege, Straßen oder Plätze müssen auch für Menschen mit Behinderung zugänglich und nutzbar sein. Problematisch ist nur, dass die Bedürfnisse von Menschen mit Handicap, aber auch allgemeiner von Älteren oder Menschen mit sonstigen Einschränkungen, jahrzehntelang nur stiefmütterlich behandelt wurden.

Beim kleinen Stadtrundgang wurden u.a. die E-Ladesäulen am Oettinger Parkplatz und die Bushaltestelle am Marktplatz auf Barrierefreiheit überprüft.
(Foto: Stadt Gunzenhausen)

Bei der Planung von Verkehrswegen oder Plätzen spielten sie nur eine untergeordnete Rolle oder wurden gar nicht erst berücksichtigt. Gebaut wurde für sehende, nicht behinderte Verkehrsteilnehmerinnen und –teilnehmer und oftmals mit anderen Zwängen. Beispielsweise konzentrierte sich die Planung vielerorts auf die möglichst schnelle Abführung von Oberflächenwasser. Es ist Zeit, dass sich das ändert und Behinderte sowie Menschen mit Einschränkungen Gleichberechtigung auch im öffentlichen Raum erfahren. Wie das geht? Durch mehr Sensibilität bei Planungen und bei der Ausführung dieser. Bei Neuplanungen muss Barrierefreiheit berücksichtigt werden. Bestehende Infrastruktur dagegen wird auf Verbesserungspotential überprüft. Auch in Gunzenhausen passiert dies regelmäßig und so fand vor kurzem auf Anregung des Seniorenbeirats wieder ein Rundgang zur Verbesserung der Barrierefreiheit statt. Teilgenommen haben neben Thomas Thill und Reinhard Adolphs vom Seniorenbeirat auch Julia Braun, die Behindertenbeauftragte der Stadt Gunzenhausen. Seitens der Verwaltung machte sich Stadtbaumeisterin Simone Teufel ein Bild, vom VdK gaben Dagmar Holl, Gerhard Steingärtner und Reinhold Herzog fachlichen Input.

Es braucht nicht unbedingt einen Praxistest, um hohe Bordsteinkanten oder steile Rampen als problematisch für Rollstuhlfahrerinnen und –fahrer erkennen zu können. Auch Sehbehinderte oder Blinde stolpern leicht über diese Art von Hindernis. Festgestellt wurden solche Mängel z.B. am Oettinger Parkplatz vor der öffentlichen Toilette oder stadteinwärts bei der Querung Richtung Freundschaftsbrücke. Die Lösung: Absenkungen oder Anhebungen der bestehenden Infrastruktur an dieser Stelle.

Die Altmühlbrücke ist vielleicht der schönste Eingang in die Stadt, Wahrzeichen und ein Stück Stadtgeschichte. Sie entstammt einer anderen Zeit und wurde nicht für moderne Verkehrserfordernisse gebaut. Dementsprechend eng geht es zu, sowohl auf der Fahrbahn, als auch auf den Gehwegen rechts und links davon. Der ein oder andere Rollator oder Rollstuhl hat nicht genügend Platz und müsste bei Benutzung auf die Straße ausweichen. Die Lösung wurde vor ein paar Jahren geschaffen: Die barrierefreie Freundschaftsbrücke, direkt gegenüber. Diese wird aber nicht von allen Verkehrsteilnehmerinnen und –teilnehmern als solche wahrgenommen. Hier kann evtl. eine neue Beschilderung helfen.

Im Marktplatzbereich freuen wir uns über die lebendige Innenstadt mit ihrem aktiven Handel. Gegenseitige Rücksichtnahme ist zwingend nötig, denn es treffen Autos, Fahrräder und Co. auf Fußgänger, Haustiere und Kinderwägen. Parkplatzmarkierungen sind unbedingt einzuhalten, ansonsten wird der Gehweg verengt. Auch Kundenstopper, mitten auf dem Trottoir platziert, können zur Stolperfalle werden. Hier gilt es rücksichtsvoll zu agieren und den öffentlichen Raum möglichst freizuhalten. Jedoch kann Barrierefreiheit nicht immer hergestellt werden. So kann bestehende Bausubstanz bessere Lösungen verhindern.

Auch der persönliche Sichtbereich wurde beim kleinen Stadtrundgang mehrmals thematisiert, liegt dieser doch z.B. bei Rollstuhlfahrerinnen und –fahrern viel tiefer als bei aufrecht gehenden Menschen. Allerdings werden Verkehrsinformationen, E-Ladesäulen etc. meist auf Augenhöhe nicht Behinderter angebracht, so in den Bushaltestellen, in denen Fahrpläne weit oben platziert werden. Abhilfe lässt sich leicht schaffen, beispielsweise durch Vergrößerung der Fahrpläne und durch das Tieferhängen derselben.

„Für Nichtbetroffene ist ein Rundgang zur Überprüfung der Barrierefreiheit im öffentlichen Raum augenöffnend“, betont Thomas Thill, Vorsitzender des Seniorenbeirats der Stadt Gunzenhausen. „Problematische Stellen werden schlichtweg nicht wahrgenommen. Für Menschen mit Handicap aber auch für ältere Menschen sowie Familien mit Kinderwägen lauern vielerorts Hindernisse und Stolperfallen. Manchmal verhindert jedoch bestehende Infrastruktur Barrierefreiheit, an anderen Stellen kann sie ohne größeren Aufwand erreicht werden. Gemeinsam mit dem VDK wirbt der Seniorenbeirat für einen gleichberechtigten Umgang aller Verkehrsteilnehmer auf dem Marktplatz. Er ist als verkehrsberuhigte Zone ausgewiesen, was bedeutet, dass Fußgänger und Fahrzeuge gleichrangig sind und sich nicht gegenseitig behindern sollten. Besondere Rücksichtnahme aller am Verkehr Teilnehmenden ist notwendig.“  

Quelle und Bilder: Stadt Gunzenhausen – Manuel Grosser

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