Adelsdorf – Aktionen von Brot für die Welt sorgen bei bayerischen Bäuerinnen und Bauern regelmäßig für Verstimmung. Das liegt unter anderem an der Beteiligung an der Demonstration „Wir haben es satt!“ anlässlich der Grünen Woche in Berlin. Landwirte fühlen sich hier zu Unrecht an den Pranger gestellt. Dabei hat sich das bundesweit aufgestellte und weltweit tätige evangelische Hilfswerk die Stärkung der Armen, die Friedensförderung und die Bewahrung der Schöpfung im globalen Süden auf die Fahnen geschrieben. Ziele, die eigentlich gesellschaftlich akzeptiert sein sollten.
Um einen Dialog zwischen Vertretern der heimischen Landwirtschaft und Brot für die Welt ging es bei einer Begegnung auf dem Betrieb der Familie Funke im mittelfränkischen Adelsdorf. Nach dem Motto „Lasst uns miteinander reden, nicht übereinander“ hat Dr. Peter Schlee von der am Hesselberg angesiedelten Evangelischen Fachstelle für Ländliche Räume dazu eingeladen, bestehende Konfliktpunkte offen zu diskutieren.
Teilgenommen haben engagierte Vertreter des Bayerischen Bauernverbands (BBV), darunter die Bezirksbäuerin Christine Reitelshöfer, Bezirkspräsident Peter Köninger, sowie Geschäftsführer Ottmar Braun. Stig Tanzmann, Referent für Landwirtschaftsfragen von Brot für die Welt war extra aus der Berliner Zentrale angereist und wurde von den Nürnberger Kolleginnen Fenja Lüders und Bettina Götz begleitet. Ebenfalls teilgenommen hat Dr. Jürgen Bergmann, Referatsleiter bei Mission EineWelt und Beauftragter der Evang.-Luth. Kirche in Bayern für den kirchlichen Entwicklungsdienst.
Landwirt Stefan Funke übernahm die Führung durch den Betrieb, der den Anbau von Heilkräutern zum Schwerpunkt hat. Er stellte die Frage in den Raum, ob Brot für die Welt sich einseitig für biologische Landwirtschaft einsetzt. Wie der gelernte Landwirt und Agrarwissenschaftler Stig Tanzmann ausführte, fördert Brot für die Welt die Agrarökologie im globalen Süden. Tierhaltung und Kreislaufwirtschaft sind dabei unverzichtbar. Wegen der für Kleinbetriebe hohen Kosten steht eine biologische Zertifizierung der Agrarökologie meist nicht im Vordergrund.
Es ist wichtig zu verstehen, so Tanzmann, dass sich das Hilfswerk für extrem kleine Betriebe einsetzt. Dass dabei die Position „food first“ vertreten wird, also die Ernährungssicherung an erster Stelle steht, konnte von Vertretern des BBV klar geteilt werden. Eine Förderung der Landwirtschaft mit Flächenprämien, wie in der EU üblich, würden sich die Kleinbetriebe im globalen Süden ebenfalls wünschen, so Tanzmann.
Dass Flächenprämien in erster Linie den Großbetrieben nutzten, wollte Bezirkspräsident Peter Köninger nicht stehen lassen. Er erläuterte, dass die Durchschnittsgröße bayerischer Bauernhöfe 2023 bei 38 Hektar lag. Auch bayerische Bäuerinnen und Bauern sind deshalb auf diese Förderung angewiesen, zumal diese auch im globalen Wettbewerb im Agrarbereich bestehen müssen. Die bayerischen bzw. fränkischen Bauernhöfe würden ihrer Verantwortung für die Welternährung und dem Klimaschutz gerecht. Eine erhöhte Fördersumme auf die ersten Hektare unterstützt gezielt kleinere Betriebe in der hiesigen regionalen Landwirtschaft. Dies ist eine Forderung, für die auch die „Wir haben es satt!“ Demonstration auf die Straße gegangen ist, ergänzte Tanzmann.
Köninger wünschte sich eine differenziertere, faktenbasierte und wertschätzende Berichterstattung über die heimische Landwirtschaft und damit zu Fragen der Regionalität oder Rolle der Tierhaltung von Seiten des Hilfswerks. Auch Stig Tanzmann war dieser Punkt wichtig und Jürgen Bergmann von der bayerischen Landeskirche wies darauf hin, dass auch die Entwicklungszusammenarbeit wiederholt zu pauschal beurteilt wird.
Bezirksbäuerin Christine Reitelshöfer berichtete vom Kenia-Projekt der bayerischen Landfrauen, in dem die Frauen dort mit Agrar- und Gesundheitsbildung gefördert werden. Die kenianischen Landfrauen tragen in der kleinstrukturierten Landwirtschaft die Hauptlast der wirtschaftlichen Verantwortung und Arbeitserledigung. Tanzmann bestätigte diese Aussage und ergänzte, dass daher Frauen und Frauenrechte eine zentrale Rolle in den geförderten Projekten von Brot für die Welt spielen. Reitelshöfer machte deutlich, dass nach ihrer Einschätzung entwicklungspolitische Projekte oft zu wenig wirtschaftlich ausgerichtet seien. Außerdem sollte auch das Thema Geburtenkontrolle noch viel stärker in den Vordergrund gestellt werden. Deshalb wurde in Kenia die Gründung eines Landfrauenverbands stark forciert, um die Frauenrechte zu stärken.
Der mittelfränkische BBV-Geschäftsführer Ottmar Braun benannte als ungelöstes Hauptproblem in den von Brot für die Welt unterstützten Ländern das vorherrschende Desinteresse der Regierenden und die dortige Korruption. Braun mahnte die Kirchenvertreter an, sich mehr diesen Armutsursachen zu widmen, statt die Landwirtschaft in Deutschland und Bayern pauschal zu kritisieren und Aktionen wie „Wir haben es satt“ zu unterstützen.
Stig Tanzmann und Jürgen Bergmann machten deutlich, dass die Projekte von Brot für die Welt und von Mission EineWelt nicht Regierungen, sondern Projekte lokaler Gruppierungen oder Kirchen unterstützt. Diese Projekte, so Fenja Lüders, werden regelmäßig kontrolliert und überprüft. Nicht selten ist der Einsatz der Projektpartner für das Recht auf Nahrung der Bevölkerung und das Recht der kleinen Betriebe zu produzieren nicht im Interesse der politischen und wirtschaftlichen Machteliten, in der Folge sind bäuerlicher Zusammenschlüsse und Zivilgesellschaft in ihren Ländern wiederholt Repressalien und Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt.
Hinsichtlich der Demo „Wir haben es satt!“ zur Grünen Woche in Berlin betonte Tanzmann, dass die Veranstaltung eine Plattform ist, um eigene Positionen öffentlich zu machen. Es geht nicht darum, Spenden zu akquirieren. Für Peter Köninger war die Diskussion um die Demo der Anlass, ein Angebot zu machen: Brot für die Welt könne zur Grünen Woche ein gemeinsames Diskussionsforum gemeinsam mit dem Deutschen Bauernverband gestalten. Stig Tanzmann von Brot für die Welt nahm das Angebot mit nach Berlin, ebenso wie den Dank für den fruchtbaren Austausch.
Quelle: Evang. Bildungszentrum Hesselberg – Dr. Peter Schlee