Die Demokratie nicht schwächen

Gunzenhausen – Die Pandemie bringt schonungslos die Probleme unseres Landes ans Licht. Von dem seit Jahrzehnten verschlafenen Ausbau der digitalen Infrastruktur hin zu den zersetzend wirkenden Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen. Das Fehlen eines echten Konzeptes und von einheitlichen, nachvollziehbaren Regelungen in der Coronakrise bringt die Bürger dazu, immer lauter nach einem stärkeren und mächtigeren Staat zu rufen. Der Grund ist klar: Menschen brauchen in Krisen einen Halt, einen Ausblick, somit Hoffnung und Perspektiven.

Die Freiheiten des Einzelnen werden im Zuge der Pandemiebekämpfung eingeschränkt. Dies ist teilweise auch alternativlos und nachvollziehbar. Inzwischen soll aber sogar der von den ehemaligen Besatzungsmächten eingeführte Föderalismus in pandemischen Lagen beschnitten werden. Allerdings gab es gute Gründe, nach Ende des dritten Reichs eine konsequente Aufteilung der Zuständigkeiten einzuführen, die eine Entwicklung abseits des demokratischen Weges schwieriger macht. Es sollte klar sein, dass auch Deutschland von Fehlentwicklungen, wie zuletzt in diversen osteuropäischen Ländern zu beobachten, nicht gefeilt ist. An diesen Beispielen wird zudem deutlich, wie schnell die
unabhängige Justiz und die Pressefreiheit eingeschränkt werden kann. Studien, wie die der Bertelsmann-Stiftung, warnen ausdrücklich davor, dass Rechtsstaatlichkeit und politische Freiheiten weltweit gefährdet sind. Selbst einst stabile Demokratien sind anfällig für autoritäre Strukturen.

In Anbetracht von Szenarien wie einst in Italien, und der Angst davor in eine ähnliche Situation zu kommen, findet die Mehrheit der Deutschen die Eingriffe des Staates in Ordnung. Schließlich muss eine Überlastung des Gesundheitssystems verhindert werden – dafür müssen wir uns zurücknehmen und Freiheiten opfern. Eine echte Diskussion über die Maßnahmen und Freiheitseinschränkungen findet dagegen kaum statt. Das Grundrecht auf Leben wird über alles andere gestellt und sekundäre Folgeerscheinungen nicht ernst genug genommen. Zugegeben: Das Recht auf Leben ist auch ein Freiheitsrecht. Die Lage ist also kompliziert und die daraus entstehenden Fragen sind nicht
einfach zu beantworten.

Auffällig sind hierbei die unterschiedlichen Handhabungen im wirtschaftlichen und privaten Bereich. Wie bereits vor Corona, bittet die Regierung die Wirtschaft, Maßnahmen umzusetzen. Bisher aber alles freiwillig, für verbindliche Lösungen sind nur sehr schwer politische Mehrheiten zu finden. Die Folge: in den Betrieben wird bisher kaum getestet und der Anteil von Beschäftigten im Home-Office ist weiterhin stark ausbaubar. Im privaten Bereich setzt der Staat dagegen vor allem auf Verbote und Pflichten, wie die beschlossene Testpflicht in den Schulen und den Zwang zur Testung vor Ort. Das dies epidemiologisch keinerlei Sinn ergibt, wird in Anbetracht der Infektionsgefahr beim Schulweg und dem Umgang bei positiven Testergebnissen deutlich. Viel sinnvoller wäre es, die Selbsttests kostenlos
bereitzustellen und die Kinder daheim zu testen, als Nachweis wird der negative Test in der Schule vorgezeigt und einkassiert. Es gäbe mit Sicherheit nur sehr wenige Eltern, die diesen Test nicht ordentlich durchführen oder gar versuchen würden, positiv getestete Kinder in die Schule zu bringen. Der einzige Grund dagegen ist das fehlende Vertrauen des Staates in seine Bürger – im Gegensatz zum Vertrauen in die Wirtschaft.

Die Pandemiebekämpfung ist nur mit der Hilfe und Unterstützung der Bürger möglich. Dafür braucht es Vertrauen, Transparenz und Ehrlichkeit von beiden Seiten. Trotzdem darf hierbei der liberale, freiheitliche Gedanke nicht verloren gehen. Die Eingriffe in die Grundrechte müssen daher ständig überprüft und begründet werden. Ohne die nötige Akzeptanz der Bürger, werden die beschlossenen Maßnahmen auch wenig bringen. Dem entgegen steht die aktuelle Lage in Deutschland, dafür gibt es viele Gründe, aber die Regierung trägt maßgeblich dazu bei. Drei Hauptprobleme sind hierbei erkennbar: Affären wie der Maskenskandal und der dadurch verursachte Vertrauensverlust der Bürger in Maßnahmen und Politik. Die katastrophale Impfstoffbeschaffung der Bundesregierung und die zum jetzigen Zeitpunkt zu niedrige Impfquote. Sowie schließlich die fehlende Umsetzung von strikten, nachvollziehbaren, auf wenige Wochen beschränkten Infektionsschutzmaßnahmen, im Wechsel mit anschließenden planbaren Öffnungen und dies – von Beginn an ehrlich kommuniziert – bis zum Erreichen einer ausreichenden Impfquote.

Andere Länder haben gezeigt, dass ohne diese Probleme zusätzliche Einschränkungen, Pflichten oder sogar Demokratie schwächende Gesetzesänderungen nicht nötig sind. Hätten wir aktuell eine Impfquote von mehr als 50% wie Israel, Großbritannien oder Bhutan, würden uns die Zahlen nicht zwingen, weitere Schritte zu gehen. Bereits Geimpfte könnten die Zeit bis zum Erreichen der Herdenimmunität – da absehbar – abwarten und die Einschränkungen für alle auch aushalten. Grund zur Hoffnung sind die aktuell erreichten Corona-Impfungen von über 600.000 pro Tag. Sollten diese Zahlen so bleiben, könnten wir Ende des Jahres schon sehr weit gekommen sein. Dies ist aber zugleich der Zeithorizont, von dem wir mindestens ausgehen müssen.

Quelle und Bild: Peter Reitmaier – Stadtrat in Gunzenhausen / Piratenpartei Deutschland

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