Gunzenhausen – Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte – nach diesem Prinzip funktionierte der abwechslungsreiche Abend zur Gunzenhäuser Stadtgeschichte in der Stadt- und Schulbücherei. Stadtarchivar Werner Mühlhäußer hatte rund 90 Fotografien und historische Postkarten ausgewählt und präsentierte dazu mit viel Fachkunde, aber auch mit einer Prise Humor Wissenswertes zu Straßen, Plätzen und Personen.
Zum „Spaziergang durch Alt-Gunzenhausen“ begrüßte Bürgermeister Karl Heinz Fitz das heimatgeschichtlich interessierte Publikum und wies auf die beeindruckende Bildersammlung des städtischen Archivs mit mehr als 17000 Fotografien und Abbildungen hin.
Einleitend berichtete Werner Mühlhäußer, wie er vom Staatsarchiv Nürnberg nach Gunzenhausen gewechselt war und damals als erster hauptamtlich beschäftigter Archivar der Stadt zunächst eine ernüchternde Bilanz ziehen musste: Damals war das Bildarchiv mit rund 50 Ansichtskarten und Fotografien recht überschaubar. So begann eine exzessive Phase des Forschens und Sammelns. Es gab viele Schenkungen von privater Seite, aber Werner Mühlhäußer spürte auch immer wieder interessante und zum Verkauf stehende Sammlungen professioneller Fotografen auf.
Für den Vortrag mit dabei hatte der Redner auch die ältesten Stadtansichten. So befindet sich im fürstlich-oettingischen Archiv eine Karte aus dem Jahr 1656: Acht Jahre nach dem Dreißigjährigen Krieg zeigt die Abbildung das Stadtbild von Gunzenhausen mit intakter Stadtbefestigung und den Stadttürmen. Auch die Bruck-Kapelle, die auf einem Pfeiler der Altmühlbrücke stand, ist dort abgebildet. Weiter ist auf einem 1690 entstandenen Epitaph aus dem Bestand des Stadtmuseums im Hintergrund eine Stadtansicht zu sehen, auf der auch das markgräfliche Brauhaus, errichtet im Jahr 1679, sowie der zweiälteste Friedhof Gunzenhausens außerhalb der Stadtmauer zu erkennen ist.
Aus dem Jahr 1880 stammt die erste Fotografie des Marktplatzes in Gunzenhausen. Einige Häuser würde man wohl heute noch wiedererkennen, obwohl es selbstverständlich noch keine großen Schaufenster in den Erdgeschossen gab. Auf den ersten Marktplatz-Bildern Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts bestimmten Kutschen und landwirtschaftliche Fuhrwerke das Straßenbild.
Werner Mühlhäußer zeigt auch einige Bilder, in denen mal Personen, mal ein Automobil ins Bild montiert wurden, quasi Bildbearbeitung vor 120 Jahren. Wahrscheinlich wollte man so das fortschrittliche Gunzenhausen herausstellen, obwohl eigentlich eher Kutschen und Ochsenkarren unterwegs waren, vermutet Werner Mühlhäußer.
Das 1970 abgerissene Schrannengebäude (heute Kaufhaus Steingass) diente ursprünglich als Getreidelager, beherbergte später viele Geschäfte, darunter auch ein „Zahnatelier“. Die Feuerwehr mietete sich hier ebenso ein wie das Heimatmuseum. Zudem war die erste königlich-bayerische Realschule in dem Gebäude untergebracht. Hier konnte Werner Mühlhäußer unter anderem eine Szene aus dem Zeichenunterricht in den 1950ern mit Kunstlehrer Stonner zeigen.
Viele Bilder von Geschäftshäusern Gunzenhausens entstanden wohl als eine Art Familienbild: Vor dem Haus versammelte sich die Familie des Inhabers sowie die Belegschaft. Ausgewählt hatte Werner Mühlhäußer Bilder von der Lebküchnerei Adam Sauber, vom Sattler Karl Brandner, der Gastwirtschaft Johann Barth oder der Brauerei Braun. Oft entspann sich bei solchen Bildern in der Bücherei eine rege Diskussion, um welches Haus am Marktplatz es sich bei diesen Geschäftsporträts handelt.
Mehr als ausreichend Platz für Fußgänger und Fuhrwerke gab es am unteren Marktplatz und wenn der Färberturm in den Fokus genommen wurde, war bestimmt auch irgendein Landwirt mit seinem Karren zu sehen. Der Storchenturm und sein origineller Besitzer der Metzgerswirt „Hermann bin i“-Fischer wurden gezeigt und auch auf die Gärten, die im einstigen wassergefüllten Stadtgraben und entlang der Stadtmauer gehegt und gepflegt wurden, kam Werner Mühlhäußer zu sprechen.
Ein Limes-Denkmal, das den Verlauf des Limes anzeigte, gab es einst an der Einmündung der Nürnberger Straße in die Bahnhofsstraße. Ein Bild die Nürnberger Straße hinauf mit der früheren Katholischen Kirche war ebenso dabei wie ein Blick stadtauswärts auf die „Mittelfränkische Fleisch- und Wurstwarenfabrik in der Ansbacher Straße.
Mit dem ältesten Familienporträt von 1859 aus der städtischen Bildersammlung, der kinderreichen Familie Kränzlein leitete Stadtarchivar Mühlhäußer den zweiten Teil seines Vortrags ein, in dem er auf das soziale Leben, das vielfältige Wirtschaftsleben Gunzenhausens und die Lebenswirklichkeit in früheren Zeiten einging.
Fotografien von den sparsam eingerichteten Innenräumen und auf die gepflegten Parkanlagen rund um das ehemalige Kreiskrankenhaus, erbaut zur Jahrhundertwende, stießen auf großes Interesse. Hier ist heute die Stadt- und Schulbücherei im Erdgeschoss untergebracht.
Bis ins Jahr verbrachten hilfsbedürftige alte Menschen im „Spital“, dem späteren Jugendzentrum ihre letzten Lebensjahre. Steile Treppen und alleinfachste Einrichtung würden heutzutage die Heimaufsicht in Krisenstimmung bringen!
Bilder gab es von Zeiten, als es in der Brauerei Karl Müller noch Gunzenhäuser Bier in Bügelflaschen abgefüllt wurde, als der Großhandel Faulstich eine Kaffeerösterei betrieb oder am Marktplatz regelmäßig ein Kraut- sowie ein Ferkelmarkt abgehalten wurde.
Bilder und Postkarten von Kirchweihfesten der 1910er und 1920er Jahre hat Archivar Mühlhäußer hervorgeholt und auch die einstige Stadtkapelle mit der Stadtmusikmeister-Dynastie Scheuernstuhl vorgestellt.
Auch die Zeit des Nationalsozialismus wurde im Vortrag thematisiert: Da gab es ein Bild vom ersten komplett nationalsozialistischen Stadtrat im Jahr 1933, bei dem sich fast alle Ratsmitglieder in Uniform und mit Hakenkreuz-Armbinde dem Fotografen präsentierten. Sowohl die Einweihung des Hitler-Denkmals am Burgstallrand ebenfalls 1933, als auch ein Besuch Adolf Hitlers im Oktober 1932 mit entsprechendem Massenauflauf haben Fotografen dokumentiert.
Bilder aus den 1950er Jahren bildeten den Abschluss des Vortragsabends: Unter anderem war eine Menschenmenge vor dem einstigen Radio-Fachgeschäft „Föttinger“ zu sehen. Dort war der erste Fernseher Gunzenhausens im Schaufenster aufgestellt und zur Fußballweltmeisterschaft im Jahr 1954 drängten sich die Fans der deutschen Mannschaft vor dem Geschäft.
Quelle: Stadt Gunzenhausen – Manuel Grosser
Artikelbild: Stadtarchiv Gunzenhausen