Ein starkes Stück! „Achtsam Morden“ in der Stadthalle

Gunzenhausen – Kettensäge, Handgranate und Elektroschock haben bekanntlich noch keinem Theater geschadet… der ein oder anderen Rolle aber sehr wohl. Dass das Publikum trotzdem lacht, liegt nicht etwa an der gesellschaftlichen Verrohung, sondern daran, dass das Stück „Achtsam Morden“ furchtbar lustig ist und jederzeit zwischen Realität und völlig überzogener Fiktion unterscheidet. Die Bühnenadaption des Krimikomödienbestsellers von Karsten Dusse ist ein rasantes Gagfeuerwerk voller tiefschwarzem Humor. Feingeister haben hier freilich nichts zu lachen, die Unterhaltung kommt mit dem Vorschlaghammer. Es fliegen nicht nur die Fäuste, sondern auch abgetrennte Finger und andere Körperteile, dazu wird herzhaft geblödelt und befreiend gelacht. Warum diese seltsame Genremischung dennoch funktioniert? Weil die drei Künstler Martin Lindow, Christian Miedreich und Alessa Kordeck die personifizierte gute Laune sind, sie zelebrieren zwar Mord und Totschlag, feiern durch ihr Spiel jedoch die Schönheit des Lebens. Wer „Achtsam Morden“ ernst nimmt, der kann nicht ernst genommen werden. Vergangenen Samstag wurde die Romanadaption im Rahmen der aktuellen Theaterspielzeit auf der Stadthallenbühne gezeigt.

„Achtsam Morden“ lebt von Vorurteilen und Stereotypen, es gelingt allerdings von Beginn an der Sprung hin zur Satire. So ist der schmierige, Sonnenbrillen tragende Dragan ganz klar ein Mafioso. Auch der die knallrote Wollmütze tief in Gesicht gezogene Stanislav kann dieser Logik folgend nur ein Ganove sein. Der flächendeckend tätowierte Toni und das fiese Frettchen Sascha, na, Sie wissen schon. Die Polizei trägt einen Derrick-Mantel oder die hüftlange Lederjacke. Dagegen ist der großmäulige Björn im Yps-Heft-Gedächtnisstreifenanzug ganz Anwalt. Gemeinsam mit seinem barfüßigen, Klangschalen anbetenden Achtsamkeitscoach Joschka arbeitet er an der Verwirklichung einer Vision: So will er künftig nur noch das tun, was er auch tun will. Hemmende Verpflichtungen sollen der Vergangenheit angehören, und gesagt, getan, der gerissene Strafverteidiger lässt seinen maulenden Mafia-Mandanten hinter sich. Und das ganz wörtlich, denn nachdem er ihn eines Tages bei hochsommerlichen Temperaturen im Kofferraum aus der Stadt schmuggelt, lässt er ihn kurzerhand schmoren. Als dieser well done ist, ist Björn endlich frei, zumindest denkt er das. Denn: Pustekuchen, Dragans russischer Kriminellenkonkurrent Boris und dessen Flamme Mascha sind ihm schon auf den Fersen. Dazu sitzt ihm seine Kanzlei im Nacken, Dragans böse Wichte scharren mit den Füßen und die nörgelnde Ehefrau möchte, dass er sich um einen Kindergartenplatz für Töchterlein Emily kümmert. Wie gut, dass er sich immer mehr von den Lasten des ihn einengenden Alltags befreit.

Rund 20 Rollen teilen Alessa Kordeck und Christian Miedreich unter sich auf. Das Schlüpfen von einer Person in die andere wird schnell zu einem sehenswerten Höhepunkt des Abends, denn manchmal reicht die Zeit dazwischen nur, um sich einen Plastikschnurrbart vor die Nase zu halten oder um das Jackett zu wechseln. Dennoch kommt keine Verwirrung auf, denn Gestik, Mimik, Körperhaltung und Dialekt definieren jedes einzelne Individuum. Die beiden Künstler leisten Großes und nehmen das Publikum bei dieser Verkleidungsachterbahn mit. Dagegen bleibt Protagonist Martin Lindow eine One-Man-Show, sorgt durch geschickt gesetzte sarkastische Kommentare und Erklärungen jedoch dafür, dass die Geschichte jederzeit am Laufen bleibt und die Zuschauer dem Plot folgen können.

Bemerkenswerte, innovative Szenen gibt es bei dieser tollen Umsetzung von Regisseur Pascal Breuer reichlich. Der Witz schleicht schwer bewaffnet durch die Handlung, ein Hoch darauf, dass komplett auf moderne Fremdschäm-Momente verzichtet wurde. In Erinnerung bleiben wird definitiv nicht nur ein 1,80 Meter großer Hase in schwarzer Leggings, der beim Wildwechsel vors Auto läuft, sondern auch ein Folterszenen-Schattentheater, bei dem selbst die letzte Publikumsreihe in schallendes Gelächter ausbrach. Ein lebensgroßer Plüschaffe wurde von Schläger Toni malträtiert und misshandelt (wie uns der Veranstalter versicherte, ist das Kuscheltier unverletzt geblieben).

Mit der Gunzenhäuser Theaterspielzeit geht es im nächsten Jahr weiter. Dann kommen Drama- und Tragikfans voll auf ihre Kosten, denn gezeigt wird am 1. Februar 2025 um 19.30 Uhr das Jahrhundertstück „Eines langen Tages Reise in die Nacht“.

Quelle und Bilder: Stadt Gunzenhausen – Manuel Grosser

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