Ein Tag für Ehrenamtliche

Weißenburg – Am 5. Dezember 2018 ist der „Internationale Tag des Ehrenamtes“, damit soll bürgerschaftliches Engagement anerkannt und gefördert werden. Im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen ist das Ehrenamt in stolzen 1.300 Vereinen und Initiativen stark verwurzelt.

Veronika Ortega (zweite von rechts) aus Wald engagiert sich seit vier Jahren ehrenamtlich als Flüchtlingshelferin. Die Freude am Ehrenamt hat sie bis heute nicht verloren.
(Bildnachweis: Landratsamt Weißenburg-Gunzenhausen)

Die Freiwilligenagentur altmühlfranken nimmt Tag zum Anlass, um mit einer ehrenamtlichen Flüchtlingshelferin zu sprechen: Veronika Ortega unterstützt in Gunzenhausen bereits seit vier Jahren Asylbewerberinnen und Asylbewerber.

Frau Ortega, wie sind Sie zum Ehrenamt gekommen?

Als die ersten Flüchtlinge zu uns nach Wald kamen dachte ich mir, da wird genau meine Qualifikation gebraucht: Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache. So nahm es seinen Lauf und ich begann im Herbst 2014 mit dem Deutschunterricht in der Flüchtlingsunterkunft in Gunzenhausen-Wald. Bald kamen weitere Ehrenamtliche, um Deutsch zu unterrichten, als Profi habe ich sie speziell für den Deutschunterricht für Flüchtlinge geschult. Im Frühjahr 2015 wurde der Verein Flüchtlingshilfe Wald e. V. gegründet, das war ein großer Schritt für uns alle.

In welchem Bereich engagieren Sie sich heute ehrenamtlich?

Bei der Flüchtlingshilfe Wald e.V. bin ich weiterhin vielseitig aktiv. Deutschunterricht oder die Integration in den Arbeitsmarkt, wie die Gabelstapler-Kurse mit meinem wunderbaren, leider inzwischen verstorbenen Kollegen Edmund Strauß, gehören dazu.

Seit 2017 mache ich gemeinsam mit einer ehrenamtlich engagierten Syrerin eine Ausbildung zur muslimischen Seelsorgerin bei der MUSA in Augsburg. Das kommt auch den Frauen zugute, mit denen ich mich wöchentlich treffe, um sensible Themen vertraulich zu behandeln.

Gab es Highlights?

Im Kontakt mit den anderen Sprachvermittlern merkte ich, dass die ehrenamtlichen Deutschlehrer eine Hilfestellung brauchten. Daraufhin habe ich in Kooperation mit der Freiwilligenagentur altmühlfranken und der Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen Bayerns (lagfa bayern e. V.) das Buch „Mehr als Wörter“ geschrieben. Es ist ein Leitfaden für ehrenamtliche Sprachvermittler unter Berücksichtigung kultureller und interkultureller Aspekte in der Arbeit mit Flüchtlingen. Das Buch ist aus meinen Schulungen erwachsen. Diese Schulungen gebe ich auch weiterhin bei der Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen für ehrenamtliche Sprachvermittler.

Welche Motivation steckt hinter Ihrem ehrenamtlichen Engagement?

Ich selbst habe 36 Jahre im Ausland gelebt und weiß aus eigener Erfahrung, was Integration bedeutet, wie herausfordernd eine fremde Kultur sprachlich, mental, emotional und menschlich sein kann.

Außerdem mag ich einfach Menschen – jede menschliche Begegnung ist einzigartig und immer faszinierend und vielschichtig. Es ist diese Faszination und, ja, Menschenliebe; die habe ich seit ich denken kann.

Wie viel Zeit investieren Sie pro Woche in das Ehrenamt?

Das hat sich auch verändert. 2014 bis 2017 hatte ich einen relativ festen Stundenplan. Dazu kamen individuelle Anfragen. Jetzt ist es unregelmäßiger geworden, Stoßzeiten wechseln sich mit ruhigeren Tagen ab. Im Mesnerhaus in Gunzenhausen bin ich jeden Donnerstag von 14 bis 18 Uhr, dazu kommen sporadische Termine, Telefonate, Begleitung….

Waren Sie schon einmal an dem Punkt aufzuhören?

Aufhören Flüchtlinge zu begleiten? Nein.

Gibt es auch manchmal Schwierigkeiten, falls ja, welche?

Ja, man braucht schon eine hohe Frustrationstoleranz. Weniger bei Flüchtlingen, als bei Deutschen. Die meisten Deutschen haben keine Vorstellung, was für eine Leistung es für einen Iraker, einen Syrer oder einen Äthiopier ist, hier „anzukommen“ – Sprache, Mentalität, Kultur, Bürokratie…, es ist eine unglaubliche Leistung. Dann kommen Deutsche und messen Flüchtlinge mit der Messlatte eines Durchschnittsdeutschen, entziehen die Unterstützung oder das Verständnis. Vor allem schmerzt und entmutigt es uns, wenn gut integrierte Flüchtlinge, wo wir geholfen haben sie zu integrieren, abgeschoben werden.

An wen wenden Sie sich, wenn Probleme auftreten?

Wir tauschen uns im Verein Flüchtlingshilfe Wald e.V. aus.

Eine große Unterstützung war und ist mir auch die Freiwilligenagentur des Landratsamtes in Weißenburg. Gemeinsam haben wir schon viele Projekte durchgeführt und ich finde in der Freiwilligenagentur immer ein offenes Ohr und konstruktive Unterstützung, und das nun schon seit Jahren. Ohne sie stünden wir recht isoliert da und ich bin nicht sicher, dass wir durchgehalten hätten.

Welche Möglichkeiten sehen Sie, auch die jüngere Generation für ehrenamtliches Engagement zu motivieren?

Auch die jüngere Generation kann für das Ehrenamt begeistert werden. Dazu brauchen sie konkrete Aufgabenbereiche und direkten Kontakt zu den Menschen. Die jüngere Generation ist neugierig und offen für neue Erfahrungen und Menschen aus fremden Kulturen – viele jedenfalls.

Aber gerade Anfänger und Jüngere müssen gut begleitet werden, um die sensible Balance von Nähe und Distanz einzuhalten. Wer mit Herzblut dabei ist, muss Strategien entwickeln, um sich vor Selbstausbeutung zu schützen. Ich halte regelmäßige Hilfestellungen für junge Ehrenamtliche mit Erfahrenen in der Flüchtlingshilfe für unerlässlich. Das hält auch die Motivation wach. Da sehe ich auch die Aufgabe und das Potential der Freiwilligenagentur.

Wie sehen Sie das Ehrenamt in zehn Jahren? Gibt es noch Ehrenamtliche?

Ich glaube, Ehrenamt wird es immer geben. Gerade wenn die Gesellschaft individualistischer wird. Ehrenamt hat auch etwas mit Kreativität zu tun. Das ist nicht zu bremsen. Die Stärke und Größe des Ehrenamts ist der Fokus auf den Menschen – den einzelnen Menschen. Da zählt keine Statistik und keine verallgemeinernde Schwarzmalerei, sondern der konkrete Mensch, dem ich begegne.

Gerade in einer so stark durch strukturierten und bürokratischen Gesellschaft wie Deutschland, ist das Bedürfnis nach menschlicher Begegnung, ohne strukturelles Interesse sehr groß. Und diese Begegnung ist immer beidseitig – ehrenamtlich Engagierte und Betroffene im vielseitigen Wechselspiel gesellschaftlicher Zwischenräume. Ein großes Potential, eine große Chance mit Zukunft.

In Altmühlfranken wird das Ehrenamt über die Freiwilligenagentur altmühlfranken am Landratsamt gefördert und unterstützt. Seit dem Jahr 2013 gibt es die Bayerische Ehrenamtskarte. Der Landkreis bedankt sich mit einer vierteljährlichen Verlosungsaktion auf besondere Art und Weise bei allen Ehrenamtskarteninhabern. Nähere Informationen gibt es unter www.altmuehlfranken.de/ehrenamtskarte 

Quelle und Bild: Landratsamt Weißenburg-Gunzenhausen – Lena Kagerer

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