Märchenabend für Erwachsene begeisterte Zuhörer im Walder Dorfladen

Gunzenhausen – Wald – Zum dritten Mal hatten die Verantwortlichen des Walder Dorfladens zum Märchenabend für Erwachsene geladen. Andrea Schwarz und Karin Löhner fesselten die Zuhörer mit Märchen von Luise Rinser, Joseph Jacobs, Hans-Christian Andersen und den Gebrüdern Grimm.

Andrea Schwarzer liest Märchen im Walder Dorfladen (Foto: Ingeborg Herrmann)

Sollte einer der Gäste gedacht haben, er kenne schon alle Märchen wurde eines Besseren belehrt. Andrea Schwarz zitierte zum Einstieg ein Gedicht von Stefan Zweig: „Märchen kann man in seinem Leben zweimal und zweifach lesen. Zuerst einfältig als Kind mit dem naiven Glauben, dass die belebte Welt ihrer Geschehnisse eine wahrhaftige sei und dann viel, viel später mit dem vollen Bewusstsein ihrer Erfindung.“

Karin Löhner bei ihrer Märchenlesung (Foto: Ingeborg Herrmann)

Karin Löhner las zunächst ein modernes Märchen von Luise Rinserf: Das Mäusetöpfchen. Luise Rinser (1911 – 2002) war deutsche Schriftstellerin. In der Zeit des Nationalsozialismus veröffentlichte sie ihre ersten kleinen Erzählungen in der Zeitschrift Herdfeuer, die eine dem Nationalsozialismus positiv gegenüberstehende junge Frau zeigen. Weitere Aufträge für die Nationalsozialisten folgten. Einem Eintritt in die NSDAP verweigerte sie sich jedoch. Des Weiteren bezeugen verschiedene Dokumente, unter anderem Briefe an Hermann Hesse, eine kritischere Haltung zum Nationalsozialismus.

Im Oktober 1944 wurde sie wegen „Wehrkraftzersetzung“ denunziert und verhaftet. Von 1954 bis 1959 war Rinser mit dem Komponisten Carl Orff verheiratet und lebte in Rom und München. Luise Rinser engagierte sich in späteren Jahren auch gegen die atomare Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf. Im Oktober 1986 spielte die Initiative „Klassische Musiker gegen die WAA“ Haydns Oratorium Die Schöpfung in der evangelischen Dreifaltigkeitskirche Regensburg. Luise Rinser verfasste dazu „einführende Worte“ über „Haydns Schöpfung gegen die WAA“.

Ihr Märchen „Das Mäusetöpfchen“ beschreibt die Geschichte eines Mädchens mit ihrer Mutter, die vom Leben nicht besonders reich gesegnet sind. Nachdem das Mädchen ein altes Töpfchen findet, geht es den beiden schnell besser. Das Töpfchen sorgt stets dafür, dass sie nicht hungern müssen. Doch das Glück währt scheinbar nicht lange, da das Töpfchen entdeckt wird, als es im Lebensmittelladen täglich Mehl, Zucker und alles, was man zum Leben braucht holt. Zum Schluss nimmt alles aber doch eine gute Wendung als der Lebensmittelhändler und seine Frau, wo das Töpfchen die Lebensmittel geholt hatte, Mutter und Tochter mit allem versorgen, was sie brauchen.

Der Frieder und das Katherlieschen ist ein Schwank aus den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. Andrea Schwarz erfreute damit die Gäste im Dorfladen. Frieder und Katherlieschen sind zwei Eheleute, die in einer ländlichen Region wohnen. Frieder verlangt von Katherlieschen Speise und Trunk, wenn er vom Feld heimkommt. Der Hund stiehlt ihr die Wurst aus der Pfanne, als sie das Bier zapft. Während sie ihm nachläuft, läuft das Fass aus. Sie trocknet das Bier mit dem Mehl auf, wobei der Krug umfällt. Frieder vergräbt Gold im Stall. Sie darf nicht dran, aber sagt es Krämern, die damit fortlaufen und ihr Geschirr dalassen. Sie stellt es mit ausgeschlagenen Böden auf Pfählen ums Haus. Als sie die Diebe verfolgen, bleibt sie zurück und schmiert die Butter in Spurrillen im Boden, damit die arme Erde weniger gedrückt wird. Ein Käse rollt davon. Sie schickt die anderen nach, dass sie ihn holen, aber sie kommen nicht wieder. Frieder schickt sie das Haus zu verschließen und anderes Essen holen. Sie holt Essig und Hutzeln (gedörrte Birnen) und bringt die Tür zur Verwahrung mit. Sie steigen zum Schlafen auf einen Baum, unter dem sich zufällig die Räuber treffen. Frieder wirft Steine, aber trifft nicht, die Räuber halten sie für Tannenzapfen. Hutzeln und Essig, die Katherlieschen zu schwer werden, halten sie für Vogelmist und Tau. Erst als die Tür kommt, wähnen sie den Teufel, und die beiden nehmen ihr Gold heim. Katherlieschen soll Frucht schneiden. Es isst erst, dann zerschneidet es vor Müdigkeit seine Kleider. Es kennt sich nicht mehr und fragt an der Tür, ob es schon drin ist. Als es „ja“ hört, läuft es fort. Es führt Diebe ins Dorf, aber ruft dabei so laut, dass sie es Rüben rupfen schicken. Dort hält es ein Mann für den Teufel und holt den Pfarrer. Als es sich aufrichtet, laufen beide davon.

„Ein Viertel Verstand“ von Joseph Jacobs stand als nächstes auf dem Programm. Joseph Jacobs (* 29. August 1854 in Sydney; † 30. Januar 1916 in Yonkers) war ein australischer Historiker und Volkskundler, der sich vor allem mit Erzählforschung befasste. Er war nicht nur einer der Verfasser der Jewish Encyclopedia, sondern zeigte sich auch für einige Märchensammlungen verantwortlich.

Beeinflusst von den Brüdern Grimm, Charles Perrault und dem romantischen Nationalismus gab er zwischen 1890 und 1912 fünf Märchensammlungen heraus: Englische Märchen, Weitere englische Märchen, Keltische Märchen, Weitere keltische Märchen und Europäische Volksmärchen. Unter anderem wurden die Märchen Hans und die Bohnenranke und Die drei kleinen Schweinchen durch ihn bekannt.

„Der Schmetterling“ von Hans Christian Andersen bildete den Abschluss des gut besuchten, unterhaltsamen Märchenabends. In diesem Märchen sucht der Schmetterling eine Braut. Er fliegt von Blume zu Blume. Jedoch war ihm eine zu schwärmerisch, eine zu bitter, eine nicht schön genug. Als er sich endlich für die wunderbar duftende Krauseminze entscheidet, lehnt sie ab. Deswegen bekommt der Schmetterling keine Frau und landet auf einer Nadel in einem Schaukasten.

Man darf schon auf das Programm des Dorfladens im nächsten Winter gespannt sein. Dann werden die beiden Vorleserinnen nicht mit Märchen, sondern mit einem anderen literarischen Genre aufwarten.

Quelle und Bilder: Ingeborg Herrmann

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