Regens Wagner Absberg bei den Special Olympics

Absberg – Astrid S. kann ihr Glück nicht fassen: Gerade hat Sie eine Goldmedaille über die 50 m Freistil im Schwimmen gewonnen. Bei der Siegerehrung fließen Tränen des Glücks. Felix Z. dagegen kämpft gegen Tränen der Verzweiflung. Eben hat man ihm noch zum 2. Platz und neuer Bestleistung gratuliert, dennoch bleibt ihm die Silbermedaille versagt. Der Grund: Er war zu schnell. Laut „Maximum Performance“-Regel werden Athletinnen und Athleten bei den Special Olympics Landessspielen in Sportarten mit zeit- oder messbaren Leistungen disqualifiziert, wenn sie im Finale 15 % besser abschneiden als im Vorfeld gemeldet. Felix hatte seine bisherige Bestzeit um rund 22% unterboten und wurde dem Reglement entsprechend disqualifiziert. Ein rasch eingereichter Protest gegen die Entscheidung wird abgewiesen.

Team Regens Wagner Absberg auf dem Festgelände der Eröffnungsfeier in Erlangen (Kulturinsel Wöhrmühle)

Arg- und ahnungslos wurde Felix damit Leidtragender einer an sich sinnvollen Regelung. Die Special-Olympics-Teilnehmer/innen werden, für eine gerechtere Beurteilung der persönlichen Leistung, in verschiedene Leistungsklassen eingruppiert. Mit seiner neu aufgestellten Finalbestzeit hätte Felix in einer stärkeren Gruppe starten müssen. Die Betreuenden haben Mühe, Felix die Situation zu erklären, schaffen es jedoch den unglücklichen jungen Mann zu beruhigen.

Es ist bereits der 3. Wettkampftag für die Olympioniken von Regens Wagner Absberg, ein Tag an dem die Emotionen besonders hochkochen. Insgesamt 15 Athletinnen und Athleten sind zu dem alle vier Jahre stattfindenden Sportevent für Menschen mit geistiger Beeinträchtigung aus Absberg angereist, 5 treten bei den Bowling- und 10 bei den Schwimmwettbewerben an. Die Bowler/innen sind zu diesem Zeitpunkt bereits fertig mit ihren Einzel- und Doppelwettbewerben. Zwei Gold-, eine Silber- und drei Bronzemedaillen konnten sich die Sportlerinnen und Sportler erspielen. Am letzten Tag dürfen sie gemeinsam mit ihren Trainern und Betreuern ein Unified-Spiel bestreiten. Hier spielen Menschen mit Behinderung gemeinsam mit Menschen ohne Behinderung.

Die Special Olympics zeigen eindrucksvoll, wie Menschen mit geistiger Behinderung die Möglichkeit zur Teilhabe an sportlichem Wettbewerb annehmen und genießen. Gleichzeitig zeigt sich die Leistungsbereitschaft der Teilnehmenden. Sehr deutlich werden dabei jedoch auch die Unterschiede hinsichtlich der Einschränkungen jedes Einzelnen. Wenn beispielsweise ein Schwimmer über zwei Minuten braucht, um ins Becken zu steigen, während die übrigen Teilnehmer längst im Wasser warten, wird klar, dass hier ein Mensch mit schwerster Behinderung an den Start geht. Die Athletinnen und Athleten im Team Regens Wagner Absberg sind Menschen mit Prader-Willi-Syndrom (PWS). Neben einer angeborenen Muskelhypotonie und geistiger Beeinträchtigung bringt der genetische Defekt mit sich, dass Menschen mit PWS ständig Hunger verspüren. Die Folge: Essbares wird, sofern greifbar, unkontrolliert aufgenommen – im Extremfall kann sogar der Magen platzen. Dies stellt die Trainer und Betreuer von Team Regens Wagner Absberg vor besondere Herausforderungen – auch logistisch. Die Einnahme der Mahlzeiten, einschließlich Zwischenmahlzeiten, für die Tage sind exakt durchgeplant. Zudem ist die Belastbarkeit von Menschen mit PWS sehr unterschiedlich. Die begleitenden Betreuer sind jedoch fachlich geschult, wissen wie bei Reibereien unter Klienten, bei herausforderndem Verhalten oder Gefühlsausbrüchen situativ zu verfahren ist. Passanten in der Erlanger Innenstadt ahnen nichts von alledem. Freundlich begegnet man der Sportlerschar bei ihrem Spaziergang zur Sportlerdisco, im Restaurant oder Eis-Café.

„Die Planung der Teilnahme mit einem Klienten-Team begann bereits Ende letzten Jahres“, erklärt Sporttherapeutin und sportliche Leiterin, Eva Hefele. In enger Zusammenarbeit mit der PWS-Bereichsleitung wurde ein entsprechendes Konzept erarbeitet und der Gesamtleitung vorgestellt. Anschließend wurden motivierte Klientinnen und Klienten gesucht und gefunden. Wie im Sport üblich mussten sich die Interessenten an entsprechenden Sichtungstagen für die Trainings und die Teilnahme an den Landesspielen qualifizieren. Im Laufe des Jahres wurde regelmäßig trainiert. Dank großzügiger Unterstützung des Fördervereins von Regens Wagner Absberg konnten Sportlerinnen und Sportler sowie die begleitenden Trainer und Betreuer mit hochwertigen und professionell designten Shirts und Jacken ausgestattet werden, es konnte losgehen.

Während das Bowling-Team sein Unified-Turnier spielt, geht es am Freitag, dem letzten Tag der diesjährigen Spiele, noch einmal um Medaillen in der 4 x 50 m Freistilstaffel. Die Absberger haben im Finale der entsprechenden Leistungsklasse gleich zwei Teams am Start. Bei der direkt anschließenden Siegerehrung liegen Freude und Enttäuschung dann wieder dicht beieinander. Während Team 1 für den 5. Platz eine Siegerschleife für die Teilnahme umgehängt wird, erringen die vier Staffelschwimmer/innen von Team 2 eine Bronzemedaille. Goldmedaillengewinnerin Astrid S., an diesem Tage Schlussschwimmerin von Team 1, ist die Enttäuschung anzusehen. Wieder muss getröstet werden.

„Ich will gewinnen. Doch wenn ich nicht gewinnen kann, so will ich mutig mein Bestes geben.“ Gemäß diesem offiziellen Eid der Special Olympics haben alle Olympioniken von Regens Wagner Absberg ihr Bestes gegeben. Am Ende bringen die Schwimmer/innen zwei Gold-, fünf Silber-, und vier Bronzemedaillen mit nach Absberg in die Wohngemeinschaften.

Bei der Abschlussfeier am Erlanger Rathausplatz feiern dann Hunderte fröhliche Menschen der teilnehmenden Teams neben dem Olympischen Feuer, tanzen ausgelassen zur Live-Musik von „Vollgas“, einem inklusiven Ensemble der Musikschule Fürth. Man begrüßt alte und neue Sportfreunde, zeigt sich die Medaillen, singt und lacht. Nicht nur am Abschlusstag bieten die Special Olympics den Teilnehmenden reichlich Gelegenheit für den Austausch und neue Begegnungen. Entsprechend begeistert zeigten sich die Absberger Olympioniken nach ihrer Rückkehr.

Positiv fällt auch das Fazit von Doris Frohnhöfer, Gesamtleitung Regens Wagner Absberg, zum „Experiment“ Special-Olympics-Teilnahme saus: „Von Alexander dem Großen stammt der Satz: ,Es gibt nichts Unmögliches für den, der es versuchen wird.‘ Wir haben mit unserer Beteiligung bewiesen, dass man – mit entsprechender, fachlicher Assistenz – selbst Menschen mit schwerer bzw. mehrfacher geistiger Behinderung die Teilhabe an Sportgroßereignissen wie den Special Olympics ermöglichen kann. Wir sind sehr stolz auf unsere Sportlerinnen und Sportler, ob mit oder ohne Medaille. Ich möchte aber besonders auch allen Kolleginnen und Kollegen ganz herzlich für die überragende Arbeit danken, die im Zuge der Special Olympics geleistet wurde. Dies gilt nicht nur für die Woche der Spiele, sondern für die gesamte Zeit der Vorbereitung, der Sichtungen und Trainings. Das gesamte Team aber ganz besonders Frau Hefele haben einen unglaublichen, einen unglaublich guten Job gemacht.“

Auf dem Sommerfest von Regens Wagner Absberg am Sonntag soll das gesamte Team um ca. 14:15 Uhr auf der großen Bühne geehrt werden.

Text: Michael Ploog / Fotos: Regens Wagner Absberg

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