Wilhermsdorf/Roth – Zu einem politischen Meinungsaustausch trafen sich vor Kurzem Harry Scheuenstuhl, SPD-Landtagsabgeordneter (MdL) aus Wilhermsdorf im Landkreis Fürth, und Ben Schwarz (SPD), im Sommer 2023 neu gewählter Landrat des Kreises Roth. Das Gespräch im Landratsamt in Roth bei Nürnberg drehte sich vor allem um die Finanzierung sozialer Pflichtaufgaben des Kreises, aber auch um Bürokratiethemen.

MdL Scheuenstuhl, der im Auftrag der SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag mehrere mittelfränkische Landkreise betreut, bekam von Landrat Schwarz einen Einblick in die aktuelle Haushaltssituation des Kreises und seiner Kommunen. Harry Scheuenstuhl, Mitglied im Finanzausschuss des Landtags, versprach, sich bei der Staatsregierung besonders um die schnelle Auszahlung von 200 Mio. zugesagter Fördergelder für Investitionen zu bemühen: „Mit diesem Betrag steht der Freistaat bei den Kommunen in der Kreide“, also bei den Gemeinden und Kreisen. Diese müssten die fehlenden Mittel oft über Kredite vorfinanzieren, „während der Finanzminister auf dem Geld sitzt. Das geht so nicht. Wenn es im Haushalt steht, muss er es auch auszahlen.“ Damit fand er bei Ben Schwarz Zustimmung.
Der Landrat wiederum sprach die Ministerialbürokratie an, bei der sowohl in Bayern wie auch beim Bund vieles im Argen liege. So sei beispielsweise zwar das Ganztagsförderungsgesetz in Kraft, das ab 2026 Grundschul-Kindern das Recht auf Betreuung garantiere. „Für die Ganztagsbetreuung sind laut Gesetz die Landkreise verantwortlich. Doch in Bayern sind die Kommunen für die Organisation zuständig. Macht ein Bürgermeister nichts, können die Eltern den Kreis verklagen. Denn in Bayern existiert keine Ausführungsverordnung“, erläuterte der Landrat das Problem. Ein Grund dafür sei die auf Sozial- und Kultusministerium verteilte Zuständigkeit: „Deshalb liegen aktuell 40 Millionen Fördermittel dafür allein bei der Regierung von Mittelfranken.“ Genauso müsse die Schulwegkostenfreiheit neu geregelt werden: Kinder, deren Schule mehr als zwei km von der Wohnung entfernt läge, bekämen ein auch allgemein nutzbares ÖPNV-365-Euro-Ticket, die mit kürzerem Schulweg nicht – eine klare Benachteiligung, so Schwarz. Harry Scheuenstuhl versprach, diese Themen im Landtag auf die Tagesordnung zu bringen.
Versteckte Sozialkosten
Viel im Argen liegt laut Landrat Schwarz auch in den schwammig geregelten Sozialsystem-Vorgaben und der ungleichen Behandlung verschiedener Gruppen. „Bei der Teilhabe für Jugendliche explodieren die Kosten wegen individueller Ansprüche. Hierdurch wird es immer schwieriger, sich adäquat um an dere Gruppen und Bereiche, wie beispielsweise unsere Seniorinnen und Senioren, zu kümmern.“, nannte er Beispiele. Zudem würden den Kreisen zwar offiziell die Kosten voll erstattet. Doch beispiels- weise werde die aus Landratssicht unbedingt notwendige Asylsozialarbeit als „freiwillige Leistung“ ab- getan und deshalb nicht vom Freistaat übernommen. „Die Kommunen können das bald nicht mehr leisten“, stimmte MdL Scheuenstuhl dem Kreischef zu.
Haupt-Kostenfaktor Klinik
Der wiederum sieht zudem massive Probleme auf das kreiseigene Klinikum zukommen. Das liege zum einen an der fehlenden Planungssicherheit, ausgelöst durch die vom Bund beschlossene Krankenhausreform. „Es wäre schön, wenn wir wüssten, welche Leistungsgruppen wir bekommen werden“, hob Ben Schwarz heraus. Er nannte es aber auch unredlich, dass zwar der Krankenhausbau offiziell Ländersache sei, „aber 50 Prozent müssen die Kommunen selbst bezahlen“. Zudem zähle beim ge- planten Neubau die Küche nicht zu den förderfähigen Kosten. „Aber für ein Krankenhaus ist die Küche essenziell. Aus den gleichen Gründen müssen wir auch anteilig mehr am Außenbereich selbst finan zieren“, nannte der Landrat Beispiele. Ein Zusammenhang, der Harry Scheuenstuhl bis dahin nicht be kannt war.
Schwarz sah zudem die bereits jetzt vom Bund zu tragende Betriebs-Finanzierung kritisch: „Allein die Tarifsteigerungen der letzten Jahre machen 1,5 Mio. Euro aus, die nicht ausgeglichen wurden.“ Das aktuelle Klinik-Defizit benannte der Landrat mit 6 Mio. Euro, von dem die Klinikgesellschaft und der Kreis je die Hälfte tragen würden. Einig waren sich Landrat und Abgeordneter bei der immer dramatischer werdenden Finanzlage der Kommunen. Insgesamt haben dem Kreis bei der Aufstellung des Etats für 2025 fast 10 Mio. Euro im Verwaltungshaushalt gefehlt, weshalb die Kommunen mit einer um 4,9 Prozentpunkte höheren Kreisumlage belastet werden müssen, wie der Landrat vorrechnete.
Harry Scheuenstuhl versprach deshalb, für dieses Dilemma eine Lösung zu suchen und sich im Haushaltsausschuss besonders für den Kommunalen Finanzausgleich einzusetzen. „Auch wenn es dort nur einen Austausch von Meinungen gibt, ist es nicht so, dass wir nichts erreichen.“ Denn oft greife die Regierungsseite die Vorschläge der Opposition auf und bringe sie als eigene Anträge ein, nannte der SPD-Abgeordnete Harry Scheuenstuhl eine nicht nur von ihm so wahrgenommene Vorgehensweise von CSU und FW.
Quelle und Bild: Harry Scheuenstuhl MdL (SPD)