Sagenhaftes Altmühltal oder die Frage, ob die Altmühl nun „nauf“ oder „nunder“ fließt

Gunzenhausen – Der Schauspieler und Rezitator Edgar M. Böhlke unterhielt mit einer besonderen Auswahl an Mythischem und Mystischem.

Edgar M. Böhlke bei seiner Lesung in Gunzenhausen

Wer den Geist eines Ortes lebendig werden lassen will, der muss auch dessen Geschichte und die Geschichten kennen. Der Schauspieler Edgar M. Böhlke hatte für den Sagenabend in der Stadt- und Schulbücherei eine seinem dramaturgischem Talent angepasste Auswahl an Mythen, Geschichten und Überlieferungen mitgebracht. Im Zentrum der Auswahl stand das Altmühltal um Gunzenhausen und der begnadete Rezitator lehrte den Zuhörern das Schaudern über die weiße Frau von Aha oder über grausame Ritter und deren finstere Pläne.

Zum Auftakt hatte der in Gunzenhausen aufgewachsene Gast jedoch eine humorvolle Sage ausgewählt. Er erinnerte an jene Zeiten, als die Altmühl noch nicht reguliert war und die Kinder in den Wintern lange Schlittschuhfahrten auf den durch das Winterhochwasser entstandenen Eisflächen machen konnten. Im Sommer war zu früheren Zeiten die Altmühl ein träge dahin fließender, fast ausgetrockneter Wasserlauf. Schilf, Teichrosen und allerlei Wasserpflanzen überwucherten die Wasserfläche, sodass sich die Gunzenhäuser in einem

besonders trockenen Sommer fragten, in welche Richtung die Altmühl denn nun fließe: „Nauf oder nunder?“

Eine Lösung ließ sich nicht finden und so kam einer auf die Idee, man müsse Wasser in die Altmühl schütten und sehen, in welche Richtung das Wasser abfließe. Alle Gunzenhäuser machten in Schildbürgermanier mit und trugen eimerweises Wasser zur Altmühl, doch alles versickerte. Erst als ein Gewitterregen niederging, fand sich die Lösung: Nunder…

Von der wohl bekanntesten Sage mit Schauplatz Gunzenhausen „Das Kreuz im Altmühltal“ gibt es allerlei Fassungen. Da Edgar M. Böhlkes schauspielerisches Talent schon in jungen Jahren offensichtlich war, hatte er schon als Schulbub eine kleine Rolle bei einer Aufführung des gleichnamigen Theaterstücks. Für den Sagenabend verwendete der Rezitator eine Textfassung aus der Sammlung von Alfred Kriegelstein und verschmolz diese mit der balladenhaften Umsetzung durch einen unbekannten Dichter.

Die weißen Nebelschwaden, die aus den feuchten Altmühlwiesen aufsteigen, heizten schon immer die Phantasie der Bewohner des Flusstales an. Edgar M. Böhlke erzählte die dramatische Geschichte der weißen Frau von Aha besonders gerne, die in Aha umgeht und um Erlösung fleht, wenn die Wasser der Altmühl wieder steigen.

Während die Geschichte der Eleonore von Lentersheim und ihres bösartigen Bruders nicht nur in Unterwurmbach bestens bekannt ist, hatte Edgar M. Böhlke mit Unterstützung von stellvertretender Büchereileiterin Babett Guthmann auch einige weniger bekannte Sagen aus der Region ausfindig gemacht: So jene Geschichte vom wählerischen Burgfräulein zu Spielberg, der der Graf von Rechenberg derart zusetzte, dass sie sich in den Tod stürzte. Oder jene grausame Begebenheit, mit der man sich die kahlen Stellen des Weißen Bergs im Rohrachtal erklärte: Hier soll einst eine Burg gestanden haben, deren satanisch-böser Burgherr seine eigene Frau in einem mit Nägeln gespickten Fass den Berg hinunterrollen ließ. Überall, wo ihr Blut floss, soll heute noch kein Halm und kein Zweig wachsen und sich so ein weißer Jurakalk-Grat den Berg hinunterziehen.

Edgar M. Böhlke hat nach Studium und einer soliden Schauspielausbildung an den großen Theaterbühnen in Deutschland Karriere gemacht und wurde zweimal als „Schauspieler des Jahres“ ausgezeichnet. Lange Jahre war er Ensemblemitglied in Düsseldorf und Frankfurt, wo er auch als Professor für Schauspiel an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst tätig war.

Aus dieser Zeit in Frankfurt hatte Edgar M. Böhlke einen Bericht über einen spektakulären Mordprozess aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mitgebracht. Diesen Bericht aus den 1950er Jahren hatte er aufgehoben, da darin von seiner früheren fränkischen Heimat die Rede war. Angeklagt war ein Frankfurter Chemielaborant, der früher mit seiner Frau und den drei Söhnen in Heidenheim im Hahnenkamm gelebt hatte. In der fränkischen Heimat hatte man lange Zeit angenommen, die Familie sei gemeinsam nach Frankfurt gezogen. Erst als der Mann erneut heiraten wollte, kam zutage, dass sowohl die erste Ehefrau als auch die drei Söhne seit Jahren spurlos verschwunden waren. Nach schwierigen Ermittlungen kam es schließlich zur Mordanklage und als man beim Straßenbau in Heidenheim zwei Kinderleichen fand, waren endlich genug Indizien zusammen, um den stets leugnenden Mordverdächtigen zu verurteilen.

Der bis heute nicht ganz aufgeklärte Mord an Frau und Kindern, die nach Jahren gefundenen Gebeine zweier Kinder – dies sei solch ein Stoff, aus dem eine Sage entstehen könne, erläuterte Edgar M. Böhlke. „Wenn sich der richtige Erzähler für die Geschichte findet“ – mochten die Zuhörer hinzufügen, für die Edgar M. Böhlke die schauderhafte Mordgeschichte anhand der Indizien nachvollzog. Hier, wie bei allen anderen Geschichten zeigte sich, dass Edgar M. Böhlke als gefragter Hörbuch-Sprecher es versteht, einen atemberaubenden Spannungsbogen abzustecken.

Quelle und Bild: Stadt- und Schulbücherei Gunzenhausen

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