Streetwork unter besonderen Bedingungen

Gunzenhausen – Noch im Februar tummelten sich ganze Schulklassen in den Räumen der Streetwork Gunzenhausen/Muhr am See. Das Präventionsprojekt „Krass – Was Du vielleicht noch nicht über Rauchen wusstest“ wurde durchgeführt, über 400 Schüler konnten erreicht werden. Heute – nur wenige Monate später – sind Projekte mit solchen Dimensionen undenkbar. Nun herrscht in der Anlaufstelle vielmehr eine ziemliche Stille. Neben Sozialpädagogin Joana Sämann darf sich nur eine weitere Person zur Beratung in den Räumlichkeiten aufhalten. Sämtliche Gruppenangebote sind aufgrund der Corona-Bestimmungen untersagt. „Dies bringt eine enorme Umstellung mit sich und erfordert eine hohe Flexibilität im Arbeitsalltag“, macht Sämann deutlich, die zum Jahresanfang die Stelle der Streetwork-Arbeit übernommen hat.

Streetworkerin Joana Sämann (Bild: Tina Ellinger)

Diese Änderungen werden schon deutlich, wenn man die Anlaufstelle im Postgässchen in Gunzenhausen betritt: Für gewöhnlich sind dort Aushänge an der Eingangstüre zum Büro der Streetworkerin nur in Urlaubszeiten zu finden. Aktuell jedoch bitten gleich mehrere Hinweisschilder im Eingangsbereich die Besucher zum Tragen einer Maske, Beachten der Hygiene-Vorschriften und Einhalten der Abstandsregeln. Auch zur Handdesinfektion wird gebeten – zum Schutz der Klienten und der Fachkraft. Die Corona-Pandemie bringt viele Hürden und Neuerungen für die sozialpädagogische Praxis in der Streetwork mit sich.

Doch bieten die aktuellen Regelungen bereits einen Lichtblick: zu Beginn der Ausgangsbeschränkungen in Bayern war es nicht gestattet Face-to-Face Beratungen durchzuführen. Diese liefen während der Zeit vorwiegend telefonisch oder via Videotelefonie. Möglich waren ab Mitte April dann Gespräche bei einem Spaziergang – ein Angebot, das gerne angenommen wurde. „Sozialpädagogische Arbeit lebt von der sozialen Interaktion. Dies kann keine Videotelefonie oder ähnliches ersetzen“, schildert Sämann ihre Erfahrungen der vergangenen Wochen. Sie ist sehr froh, „dass die Anlaufstelle nun wieder Klienten in den Räumen aufnehmen darf und sie im persönlichen Gespräch beraten kann“. Die Niedrigschwelligkeit der Streetworkarbeit ist dadurch wieder gewährleistet. „Eine von Obdachlosigkeit betroffene Person tut sich mit weiteren Hürden wie beispielsweise einer Terminbindung enorm schwer. Die Anlaufstelle wird oft spontan aufgesucht.“

Auch während der Ausgangsbeschränkungen bildete die mobile und aufsuchende Arbeit das Kernstück der Streetworker-Arbeit: Die Sozialpädagogin sucht regelmäßig die Treffpunkte der Jugendlichen und jungen Menschen auf. Hier ist es möglich, mit diesen im Gespräch zu bleiben und – wo nötig – Aufklärungsarbeit in Sachen Corona zu leisten sowie Bewusstsein für die geltenden Regelungen zu schaffen. Anhand sozialer Medien wie WhatsApp, Instagram & Co. wird zudem durch die Fachkraft auf die sich immer wieder ändernden Regelungen in einer verständlichen Sprache aufmerksam gemacht.

Zudem werden neue Projekte vorangebracht: Sämann baut mit den Kolleginnen aus der Fachstelle für Wohnungsnotfallhilfe und der Kirchlich Allgemeinen Sozialarbeit eine Notschlafstelle in Gunzenhausen auf. Hier sollen Jugendliche und junge Menschen, die von Obdachlosigkeit betroffen sind, unterkommen können. Unterstützt wird dieses Angebot durch die Firma Hetzner Online, die die Räumlichkeiten zur Verfügung stellt. Des Weiteren schuf die Streetworkerin für die jungen Menschen einen kleinen Anreiz, um die Kontaktbeschränkungen durchzuhalten: Diese waren dazu aufgefordert, der Fachkraft ihr schönstes Masken-Bild zu schicken. Dem Gewinner winkt nun ein leckerer Eisbecher. „Bei allem Ernsthaften, ist es wichtig, Freude und kleine Lichtblicke zu schaffen“, betont die Sozialpädagogin.

Eine Rückkehr zur Normalität wie zu Beginn des Jahres kann sie sich derzeit nicht vorstellen. Im Falle einer zweiten Infektionswelle könnte es wieder zu Beschränkungen kommen. Daher werde weiter verstärkt mobil gearbeitet, um auch in Zukunft schnelle und unkomplizierte Hilfen leisten zu können.

Joana Sämann befürchtet, dass insbesondere die Zielgruppe ihrer Arbeit von den Auswirkungen der Corona-Krise massiv betroffen sein wird. „Arbeitslosigkeit oder Wohnungslosigkeit werden wohl Themen sein, die uns in nächster Zukunft stark beschäftigen“, schildert die Mitarbeiterin der Diakonie Weißenburg-Gunzenhausen abschließend.

Quelle: Streetwork Gunzenhausen – Joana Sämann

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