Altmühlseefestspiele entstauben den Klassiker von Heinrich von Kleist

Muhr am See – Das Team der Altmühlseefestspiele um Intendant Christian A. Schnell hat sich dieses Jahr mit der speziellen Inszenierung des Klassikers „Der zerbrochene Krug“ von Heinrich von Kleist auf der Freilichtbühne des AIZ in Muhr am See etwas besonderes einfallen lassen.

von links: Simon David Altmann, Hartmut Kühn, Tobias Steinhardt, Andreas Schirra, Jens Ulrich Seffen, Tina-Nicole Kaiser, Olivia-Patrizia Kunze, Ursula B. Kannegießer und Eric Naumann

Philipp Lang hat extra für die Altmühlseefestspiele eine neue Bühnenfassung des beliebten Lustspiels von Heinrich von Kleist geschrieben und die Geschichte um den Dorfrichter Adam sprachlich und thematisch in die moderne Zeit versetzt. Die dabei entstandene äußerst witzige, berührende, manchmal schrille, in jedem Fall aber sehr unterhaltsame Inszenierung wird durch das moderne und mit vielen Graffiti´s verzierte Bühnenbild von Martin Riedel in seiner Gesamtwirkung noch zusätzlich unterstützt.

Der Dorfrichter Adam war in der Nacht zu Eva Rull ins Haus geschlichen. In der Dunkelheit von Ruprecht, dem Verlobten des Mädchens, zum schnellen Rückzug gezwungen, wurde er von diesem mit der Türklinke auf den Kopf geschlagen. Zerschunden lief er davon. Seine Perücke musste er auf der Flucht ebenfalls zurücklassen.

Frau Marthe Rull fordert Gerechtigkeit für den zerbrochenen Krug, der in der Kammer ihrer Tochter Eve zerstört wurde, wodurch auch das Ansehen Eves zu Schaden gekommen ist. Sie beschuldigt Eves Verlobten Ruprecht die Tat begangen zu haben. Ruprecht wiederum beteuert seine Unschuld, seinerseits davon überzeugt das Eve ihn mit seinem Konkurrenten Leberecht betrogen habe.

Adam verstrickt sich in seinem Bemühen den Verdacht von sich abzulenken. Er verpflichtet Eve zum Schweigen indem er ihr droht sonst ihren Geliebten als Soldaten nach Indien zu schicken. Bis zum Schluss auf Vertuschung bedacht schließt sich Adam der Vermutung der abergläubischen Nachbarin an und behauptet, bei dem Täter könne es sich nur um den Teufel handeln. Als er von dem Schreiber Licht jedoch durch das Aufsetzen seiner verlorenen Perücke, die die Nachbarin zufällig gefunden hat, eindeutig überführt wird, spricht er in einem grotesken Fehlurteil Ruprecht schuldig.

Das hält Eve jedoch nicht aus, sie öffnet jetzt den Mund und erzählt den wahren Hergang der Sache.

Nachdem Adam geflohen ist vertraut Eve dem Gerichtsrat Walter die ganze Wahrheit an: Adam hatte sie mit dem Attest für Ruprecht erpresst und als Gegenleistung sexuelle Dienste von ihr eingefordert.

Das Stück endete mit der Versöhnung der Liebenden und Walters Ankündigung, Adam nicht zu streng bestrafen zu wollen.

Unter der Regie von Christian A. Schnell zeigten die Schauspieler in gekonnter Weise die kleinen Mauscheleien in der Gesellschaft auf und konnten sich dabei immer wieder humorvoll eingeworfene Spitzen auf tagesaktuelle Ereignisse und Parallelen nicht verkneifen.

Jens Ulrich Seffen präsentierte den Premierenbesuchern einen Dorfrichter Adam der durchaus keine Respektsperson darstellt, sondern mit seinen kleinen Schwächen und Fehlern die er durch kleine Lügen zu kaschieren versucht sehr menschliche Züge aufzeigt in die sich die Zuschauer sehr gut hineinversetzen konnten. Andreas Schirra hält in der Person des strengen und auf den ersten Blick auch sehr bürokratischen Gerichtsrats Walter die Handlung zusammen und gibt seinen SchauspielkollegInnen die notwendige Freiheit ihre sehr unterschiedlichen Charaktere humorvoll und unterhaltsam zu präsentieren. Hartmut Kühn bringt den Gerichtsschreiber Licht, im Gegensatz zu der Originalfassung, wesentlich stärker in den Vordergrund und in die Handlung mit ein. Alle Darsteller schafften es das keine einzige Rolle als Nebenrolle empfunden wurde sondern jede Figur des Stückes ihre eigenständige Wichtigkeit für den Handlungsablauf entwickelte. Sogar der junge Eric Neumann konnte die Zuschauer in der kleinen Rolle des Bauern Günther mit seinem Holzhandy in die Anfangszeiten des Mobiltelefons entführen, in der das Telefonieren mit den unhandlichen Mobiltelefonen noch sehr umständlich war und auch etwas Muskelkraft erforderte.

Christian A. Schnell und Philipp Lang ist es gelungen den Staub der klassischen Theateraufführung aus dem Lustspiel zu entfernen und durch die Zeitreise aus der Vergangenheit in die Gegenwart auch neues Publikum für die klassischen Theaterstücke zu gewinnen. Durch die neue und moderne sprachliche Gestaltung schwebt das beliebte Werk des klassischen Schauspiels nicht mehr in den künstlerischen Höhen des traditionellen Theaters sondern wird für die Zuschauer besser verständlich und in der Handlung und Aussage nachvollziehbar.

(KH)

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