Jugendarbeit

Hilfen bei Selbstverletzung von Jugendlichen

Gunzenhausen – Nach Schätzungen von Ärzteverbänden verletzen sich bis zu 1,2 Millionen Kinder und Jugendliche regelmäßig selbst.

Annelore Marks, Thomas Pfaffinger und Praktikant Kevin Mitsch sowie Schüler der Klasse 8cM
Annelore Marks, Thomas Pfaffinger und Praktikant Kevin Mitsch sowie Schüler der Klasse 8cM

Dabei sind die Erscheinungsformen oftmals so vielfältig wie die Ursachen: Einige drücken glimmende Zigaretten auf ihrer Haut aus, andere trainieren ihren Körper exzessiv bis hin zu Muskelverletzungen, manche schlagen den Kopf gegen die Wand. Die meisten schneiden sich selbst mit Scheren, Rasierklingen oder Scherben. Erfahren Eltern oder Freunde von den Selbstschädigungen der Jugendlichen reagieren diese schnell mit Vorwürfen und Kontrollversuchen. Dabei verschlimmern Vorhaltungen den beim Betroffenen vorherrschenden Druck noch weiter. Doch wie kann man helfen? Dieser Frage gingen Psychologin Annelore Marks von der Eltern- und Jugendberatung und Sozialpädagoge Thomas Pfaffinger, der als Jugendsozialarbeiter an der Stephani-Mittelschule in Gunzenhausen tätig ist, im Rahmen ihres Projektes „Schnippeln & Ritzen“ nach.

In einer Unterrichtseinheit für Achtklässler galt es, mit den jungen Menschen  über selbstverletzendes Verhalten ins Gespräch zu kommen. „Der Fokus lag darin, den Schülern Verhaltensalternativen, sogenannte  Skills, und Beratungsmöglichkeiten an die Hand zu geben.“, macht die Leiterin der Eltern- und Jugendberatung die Zielsetzung des Projektes deutlich. Hilfreiche Skills könnten beispielsweise sein, „in eine scharfe Chilischote zu beißen oder Eiswürfel zu zerdrücken.“ Es geht darum, eine Ersatzhandlung zu schaffen, die den Schmerz nachahmt, ohne sich zu verletzen. „Sport oder kreative Tätigkeiten können langfristig einen Ausgleich zur eigenen Gefühlswelt schaffen“, ergänzt Thomas Pfaffinger. Nicht vergessen werden darf, dass Ritzen zu einer Sucht werden kann: In emotionsgeladenen Momenten wird kein anderer Ausweg mehr gesehen, als sich selbst zu verletzen. Wichtig ist daher stets auch, die Hintergründe für den Leidensdruck des Jugendlichen zu ergründen und Lösungen zu suchen. Das gelingt oftmals nur mit professioneller Hilfe, Freunde und Familienmitglieder kommen hier verständlicher Weise schnell an ihre Grenzen.

Nach einem kurzweiligen spielerischen Einstieg in das Thema, bei dem die Schüler als Psychiater agierten und bei ihren Altersgenossen eine psychische Krankheit herausfinden sollten, gab es einige Hintergrundinformationen zum Thema „Ritzen und Schnippeln“.

Die Schüler erhielten daraufhin die Fallgeschichte des gleichaltrigen Alex: Dieser ist der Leistungsträger in der Basketballmannschaft. Doch jetzt ist ein Neuer an der Schule, der schon zu einem Sichtungswochenende eingeladen worden ist. Um seine Noten müsste sich Alex eigentlich keine Gedanken machen, aber er weiß immer noch nicht so richtig, wofür er sich eigentlich interessiert und wo er sich bewerben soll. Auch mit seiner Freundin ist insoweit alles in Ordnung, doch es kommt immer öfter vor, dass sie auf Nachrichten nicht antwortet, obwohl sie seine gelesen hat. Mit seinem Kumpel kann er darüber nicht reden, der hat selber genug um die Ohren.  Alex beginnt sich selbst zu verletzen…

Aufgeteilt in Kleingruppen ergründeten die Teenager, welche Probleme Alex belasten, welche Gedanken ihm durch den Kopf gehen und was er beim Aufstehen und Einschlafen denken könnte. Eine weitere Gruppe ging der Frage nach, wie Eltern und Freunde wohl reagieren: Von Entsetzen, Vorwürfen, Gesprächen bis hin zur Vermittlung in eine Therapie reichten die Ideen der Mädchen und Jungen. Die Aussagen wurden gemeinsam bewertet und besprochen: Rasch waren sich alle einig, dass dem Betroffenen vor allem Verständnis, ein „Ernst nehmen“ seiner Probleme und für ihn „Da-sein“ helfen. Am wichtigsten ist, dass man nicht wegschaut.

Damit die Jugendlichen im Krisenfall etwas zur Hand haben, erhielten sie von den Fachkräften des Diakonischen Werkes Weißenburg-Gunzenhausen Notfallkärtchen für den Geldbeutel, auf denen Telefonnummern verschiedener Beratungsstellen vermerkt sind. Je schneller ein Betroffener Hilfe erfährt, desto besser kann man ihm schließlich helfen.

Zum Abschluss der Unterrichtseinheit gab es für die Jungen und Mädchen noch verschiedene Sätze, die in die Stuhlkreismitte gelegt wurden. Der Reihe nach durfte nun jeder Schüler einen Satz nehmen, diesen laut vorlesen und an einen Mitschüler geben. Auf den Zetteln stand beispielsweise: „Mit Dir chille ich am liebsten.“ oder „Auf Dich ist immer Verlass und deshalb mag ich Dich so gern“.

Für individuelle Rückfragen zur Thematik stehen die Fachkräfte der Eltern- und Jugendberatung unter der Telefonnummer 09141/6369 und der Jugendsozialarbeit an Schulen unter 09831/5006-493 zur Verfügung.

Quelle und Bild: Jugendmigrationsdienst – Thomas Pfaffinger

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