„Teatime mit Jane Austen“ mit spritzig gelesenen Dialogen

Ein Erzählfest mit den renommierten Austen-Übersetzern Ursula und Christian Grawe
Gemeinsame Veranstaltung der Buchhandlung Fischer und der Stadt- und Schulbücherei Gunzenhausen

(von links) Buchhändler Thomas Fischer, Ursula Grewe, Büchereileiterin Carolin Bayer und Christian Grewe

Gunzenhausen – Da haben die Stadt- und Schulbücherei und die Buchhandlung Fischer den „Janeites“, den Fans von Jane Austen, eine große Freude gemacht: Im Rahmen des Erzählfestes wurde zur „Teatime mit Jane Austen“ eingeladen und die beiden Übersetzer des deutschsprachigen Austen-Gesamtwerks Ursula und Christian Grawe lasen aus „Stolz und Vorurteil“ und anderen Austen-Klassikern.

Die 100-prozentigen Austen-Fans und auch jene, die zum Erstaunen der Vortragenden noch nicht jeden der sechs Romane der zur Weltliteratur zählenden Klassikerin gelesen hatten, freuten sich über die ironisch-humorvollen Austen-Dialoge. Ursula und Christian Grawe spielten sich mit Vergnügen die Bälle zu und schafften es, den sehr distinguierten Tonfall in ihre Lesung zu übernehmen.

Im bis auf den letzten Platz besetzten Veranstaltungsraum begrüßte Büchereileiterin Carolin Bayer die Gäste und freute sich, jene beiden Übersetzer zu Gast zu haben, denen Jane Austen – auch 200 Jahre nach ihrem Todestag eine große Popularität in Deutschland verdankt. Ursula und Christian Grawe leben in Melbourne und befinden sich derzeit auf großer Lesereise.

Ursula Grawe gewann nach dem Studium der Anglistik und Germanistik einen Übersetzerpreis und konnte sich so als literarische Übersetzerin etablieren, während ihr Mann Christan Grawe zunächst eine akademische Laufbahn einschlug. Bei einem Aufenthalt in den USA, beschloss dieser, sich mit den großen Literaten der englischsprachigen Literatur näher zu befassen. Er habe in einer Buchhandlung in Oklahoma beim Buchstaben A begonnen und so stand bald die ihm damals vollends unbekannte Jane Austen auf der Leseliste, berichtet Grawe. Er begann mit „Stolz und Vorurteil“ und war sofort gefesselt: „Ich hab noch nie in meinem Leben einen so charmanten Romananfang gelesen!“, habe er zu seiner Frau gesagt und auch sie mit dem Austen-Virus infiziert.
„Es ist eine allgemein anerkannte Tatsache, dass ein alleinstehender Mann im Besitz eines hübschen Vermögens angeblich nichts dringender braucht als eine Frau.“ – Dieser erste Satz aus „Stolz und Vorurteil“ bringt die Überleitung zu einer nervenaufreibenden Diskussion zwischen den Eheleuten Bennet, die vor der Herkulesaufgabe stehen, fünf erwachsene Töchter unter die Haube zu bringen. Die Folgerung von Mrs. Bennet, dem jungen Mann muss dringendst die Aufwartung gemacht werden, denn solch eine Beute würden sich auch andere Familien nicht entgehen lassen.
Großen Applaus gab es für die Darbietung der Grawes, die sich bestens in die Gefühlswelt des streitenden Ehepaars einfühlen konnten: Mister Bennet mit seinen kauzigen Einfällen und seinem Widerspruchsgeist, Mrs. Bennet ist in Austens Worten „eine Frau von geringer Einsicht, wenig Weltkenntnis und vielen Launen“, deren Lebensbeschäftigung in der Verheiratung ihrer Töchter bestand.

Jane Austen, Tochter einer Pfarrersfamilie mit acht Kindern, begann schon mit 12 Jahren mit dem Schreiben. Ihre kurzen Texte las sie gerne am Familientisch vor und sie hatte schon immer einen Sinn für Widersprüchliches und einen feinen Humor. So enthält der Monolog einer notorischen Lügnerin das Geständnis, diese habe sogar ihr eigenes Testament gefälscht.

Jane Austen, die bereits im Alter von 41 Jahren starb, hat nie geheiratet und so blieb sie immer von ihren Eltern und der Großzügigkeit ihrer Brüder abhängig. Auch ihren Ruf als Schriftstellerin konnte sie kaum genießen, denn lange Jahre erschienen ihre Bücher unter einem Pseudonym. Es galt Anfang des 19. Jahrhunderts einfach nicht als statthaft für eine Frau ihrer Gesellschaftsschicht, einen Beruf zu ergreifen, und selbst ihre Neffen und Nichten haben erst spät davon erfahren, eine Romanautorin in der Familie zu haben.

Die Grawes zitierten sowohl aus den zu Austens Lebzeiten veröffentlichten Romanen, als auch aus den drei unvollendeten Werken – alle in den Taschenbuch-Ausgaben und in der neuen Gesamtausgabe des Reclam-Verlags 2017 neu aufgelegt – und machten besonders auf den Roman „Lady Susan“ aufmerksam, der unter dem Titel „Love and Friendship“ im vergangenen Jahr in den Kinos war.

Mit ihrer Art zu Lesen brauchten die Grawes eigentlich gar nicht mehr betonen, wie sehr sie die britische Literatin bewundern: im englischsprachigen Sprachraum gilt sie als Begründerin des realistischen Romans, sie hebt die Alltäglichkeit der Menschen in den Mittelpunkt und ihre Frauengestalten handeln beherzt und selbstbewusst, Verhaltensweisen, die in einer patriarchalischen Gesellschaft den Frauen eher nicht zustanden. Besonders angetan hatte es den Grawes auch die Austen‘sche Dialogkunst, die sie auch in den schönen Spitzen aus dem Geschenkband „Jane Austen zum Vergnügen“ brillant vorführten.

Ebenso unterhaltsam wie die Lesestücke waren die Ausführungen der beiden zu den Herausforderungen, die sie sich bei ihren Übersetzungen stellen mussten. So haben sich die beiden bemüht, das sprachliche Zeitkolorit und die innere Haltung der Figuren, die sich in einer durch Anstandsregeln regulierte Gesellschaft ergeben, auch in der deutschen Übersetzung durchzuhalten. Die Sprachebene muss zum Inhalt passen und wie gewählt sich die Personen auch ausdrücken – die Lebendigkeit der Texte, das Augenzwinkern und das Stutzen und Staunen der Leser muss auch in der Übersetzung funktionieren.

Es war herrlich, Christian Grawe, der übrigens mit „Darling Jane“ auch eine lesenswerte Biografie der Autorin verfasst hat, über andere Übersetzungen urteilen zu hören. Wer den leichten, plaudernden Unterton nicht findet, ist bei ihm schon unten durch.

Für den gemütlichen Austen-Abend bedankte sich Buchhändler Thomas Fischer bei Ursula und Christian Grawe. Die Buchhandlung feiert ja in diesem Herbst ihren 40sten Geburtstag und im Reigen der vielen Lesungen, die dort organisiert wurden, war der Besuch der Grawes aus Australien sicher ein viel beachteter Besuch. Er dankte Nicole Kehrstephan und Ulrike Zatschker vom Büchereiteam für die stilechte Gestaltung der Teatime, bei der nicht nur englischer Tee, sondern auch Shortbread, Rosmarinschnitten und After-Eight-Täfelchen auf schönen Etageren serviert wurden. Jane Austens Romanfamilie Bennet hätte es sehr gefallen…

Quelle: Stadt und Schulbücherei Gunzenhausen

Bilder: Stadt Gunzenhausen – Pressestelle

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