Gunzenhausen im Herzen

Gunzenhausen – Michl Hertlein ist eine dieser schillernden Persönlichkeiten, wie sie wohl nur ein romantisch-städtisches Kleinod wie Gunzenhausen hervorbringen kann. Der Kunstmaler war ein Original, sein keckes Grinsen, gepaart mit Sturmfrisur und dicken Ringen an den Fingern machten ihn in zu etwas Außergewöhnlichem. Bei seinen Mitmenschen war er beliebt, steckte allerdings auch voller Widersprüche. Geboren 1896 mit verkümmerter Hand, gestorben 1957 nach einem Leben voller Höhen und Tiefen, war er Teil einer für die Gesellschaft schwierigen Zeitphase. Er partizipierte an einer sich immer schneller drehenden Welt voller Innovationen und Diskrepanzen, er freute sich einerseits über technischen Fortschritt, litt andererseits unter finanziellen und wirtschaftlichen Krisen. Hertlein steckte voller Ideen, Talent und Träumen – seine körperliche Behinderung, zwei Weltkriege, eine schwerkranke Tochter und die ständige Verlustangst gingen jedoch nicht spurlos an ihm vorbei.

v.l.n.r.: Stadtarchivar Werner Mühlhäußer, Kuratorin Babett Guthmann, Erster Bürgermeister Karl-Heinz Fitz

1925 bereiste er im Rahmen einer Studienreise Österreich, Italien und Libyen. Anfang der 1930er-Jahre wurden aus seiner Weltoffenheit und kontinentalen Reiselust Verblendung und die Hingabe zum Nationalsozialismus. Ob überzeugt oder nicht – aus heutiger Sicht spielt das keine große Rolle mehr. Sicher ist jedoch, dass sein Denken und Handeln in ständiger Bewegung war. Worauf sich seine Kunden verlassen konnten, war ein großer Output an Kunstwerken, viele davon mit regionalem Bezug.

Unzählige Bilder, Radierungen oder auch bemalte Möbelstücke sind heute noch im Umlauf, viele Gunzenhäuser Bürgerinnen und Bürger haben Michl Hertlein-Objekte zu Hause und bewahren die Stücke generationenübergreifend auf. Aktuell hält die Stadt Gunzenhausen mit fast 500 Stücken wohl den größten Bestand an Hertlein-Kunstwerken. Zu Ehren des Jubiläumsjahrs kann gegenwärtig ein großer Teil davon kostenlos an drei Orten in der Altmühlstadt besichtigt werden, einige Stücke sind gar das erste Mal in der Öffentlichkeit zu sehen. Als Höhepunkt der Hertlein-Schau fand vor kurzem in der Stadt- und Schulbücherei Gunzenhausen ein informativer Abend statt. Gleichzeitig wurde der dritte Teil der Ausstellung mit dem Titel „Mein Gunzenhausen – Heimat im Herzen“ offiziell eröffnet.

Heimatforscherin Babett Guthmann und Stadtarchivar Werner Mühlhäußer sind ohne Frage die größten Experten im Hertlein-Kosmos´. 2016 haben sie zusammen mit der Historikerin Dr. Gesa Büchert die viel beachtete Monographie „Michl Hertlein – Ein fränkischer Maler. Sein Leben – sein Werk.“ veröffentlicht. Dementsprechend gespannt waren die zahlreichen Besucherinnen und Besuchern am Vernissageabend, durften sie sich doch auf eine umfassende Dokumentation über das künstlerische Schaffen freuen. Gemeinsam mit der turbulenten Biographie des Künstlers ergab sich für die Zuhörerinnen und Zuhörer ein spannendes Bild voller Höhen und Tiefen. Die wenigsten wissen, dass Hertlein auch Heimatforscher war und in dem großen Dr. Heinrich Eidam einen väterlichen Freund fand. Später leitete er gemeinsam mit seiner Frau Edith das Gunzenhäuser Heimatmuseum. Natürlich zweckentfremdete der frühe Marketingprofi die Räumlichkeiten auch zu Galerie- und Verkaufszwecken.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es um Michl Hertlein ruhiger. Mit Glück wurde er von den Amerikanern nur als „Mitläufer“ eingestuft. Dennoch lebte er zeitweise wohl von der Hand in den Mund. Viele Werke waren Auftragsarbeiten, vom Verkauf der Bilder war das Überleben der Hertlein-Familie abhängig. Heute ist der Kunstmaler lebendige Stadtgeschichte, die Resonanz auf die Ausstellung ist riesig. Seine Bilder halten Erinnerungen an längst vergangene Zeiten aufrecht, manche davon würden wir gerne ungeschehen machen. So tauchen zwischen wunderbaren Illustrationen auch immer wieder Bilder mit Hakenkreuzfahnen auf. Diese sind in der Zeit des Nationalsozialismus entstanden und Michl Hertlein war Teil davon. Es ist wichtig, dass diese Phase nicht verschwiegen wird. Genauso wichtig ist es aber auch, das Können und die Vielfalt des fränkischen Heimatmalers in den Fokus zu rücken. Michl Hertlein steckte voller Ideen und noch mehr Talent. Seine Motive sind manchmal expressionistisch und aufregend, dann wieder naturalistisch und schrecklich profan. Er war arbeitender Maler, der ständig nach Aufträgen suchte. Die fand er häufig in Gunzenhausen, was die zahlreichen Bilder beweisen, die Szenen aus der Stadt zeigen.

Der Titel der dreiteiligen Ausstellung zu Ehren Michl Hertleins lautet „Michl Hertlein – Bilder seines Lebens“. Seit dem 30. September sind ausgewählte Reisebilder im Kunstforum Fränkisches Seenland e.V. (M11) zu sehen (www.kunstforum-fraenkisches-seenland.de). Im Rathausfoyer wurde eine Blumenweise aus Naturmotiven aufgehängt. Und in der Stadt und Schulbücherei sind Werke mit Bezug zu Gunzenhausen, aber auch Motive ohne Zuordnung, Skizzenbücher und Objekte ausgestellt. Der Eintritt ist jeweils frei, eine Besichtigung zu den üblichen Öffnungszeiten möglich. Achtung: Die Ausstellung im M11 läuft nur noch bis zum 5. November, die im Rathaus und in der Stadt- und Schulbücherei bis zum 16. Dezember 2023.

Quelle und Bilder: Stadt Gunzenhausen – Manuel Grosser

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