Behinderte

Bezirk fordert Nachbesserungen beim Bundesteilhabe- gesetz

Ansbach – In seiner heutigen Sitzung hat der Bezirkstag von Mittelfranken neben der Resolution auf Übernahme

der Kosten für unbegleitete junge Flüchtlinge durch den Freistaat Bayern, ein zweites Dekret auf den Weg gebracht. Dieses wendet sich an die Bundesregierung und hat den im Juni diesen Jahres beschlossenen Entwurf zu einem „Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen“ im Blick, der im Herbst im Bundestag beschlossen werden soll.

Der Bezirkstag begrüßt die Bemühungen der Bundesregierung, ein Bundesteilhabegesetz auf den Weg zu bringen, sieht aber Nachbesserungsbedarf, weil der Gesetzesentwurf die Erwartungen von Menschen mit Behinderung auf volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe nur unzureichend erfüllt. Insgesamt umfasst die nun verabschiedete Resolution des mittelfränkischen Bezirkstages sieben Forderungen. Diese lauten wie folgt:
1. Die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung und Pflegebedarf bei der Inanspruchnahme der Leistungen der Pflegekasse ist zu beenden.

2. Die Schnittstelle zwischen den Leistungen der Eingliederungshilfe und den Leistungen zur Pflege muss transparent und eindeutig gesetzlich festgeschrieben sein.

3. Alle Menschen mit Behinderung sollen am Arbeitsleben teilnehmen können.

4. Eine selbstbestimmte Lebensführung ist durch eine weitergehende Privilegierung von Einkommen und Vermögen zu stärken.

5. Die Herstellung inklusiver Lebensverhältnisse ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, an deren Kosten sich der Bund beteiligen und einen Beitrag zur Entlastung der Träger der Eingliederungshilfe leisten muss.

6. Der Personenkreis der leistungsberechtigten Menschen mit Behinderung darf nicht eingeschränkt werden.

7. Es darf zu keinen Leistungseinschränkungen und Leistungskürzungen kommen.

Standards in der Eingliederungshilfe dürfen durch das Bundesteilhabegesetz nicht abgesenkt werden.

Hier ist der genaue Text der beschlossenen Resolution:

Resolution des Bezirks Mittelfranken zum Entwurf des Bundesteilhabegesetzes, beschlossen in der Sitzung des Bezirkstages am Donnerstag, 20. Oktober 2016:

Am 26. März 2009 ist das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte der Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention – UN-BRK) als nationales Recht in Kraft getreten. Der Bezirk Mittelfranken begrüßt das Anliegen der Bundesregierung, das geltende Recht in Übereinstimmung mit diesem Menschenrechtsabkommen weiterzuentwickeln und bekräftigt gleichzeitig seine Erwartung an die Bundesregierung, dass die Gestaltung der rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland Menschen mit Behinderung die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe ermöglicht. Der von der Bundesregierung am 28.06.2016 beschlossene Entwurf zu einem „Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen“ erfüllt diese Erwartung nur unzureichend. Der Bezirk Mittelfranken erwartet vom Deutschen Bundestag, dass mit dem neuen Bundesteilhabegesetz nachfolgende Forderungen umgesetzt werden. Von der Bayerischen Staatsregierung erwarten wir, dass sie diese Forderungen über den Bundesrat unterstützt.
1. Die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung und Pflegebedarf bei der Inanspruchnahme der Leistungen der Pflegekasse ist zu beenden.

Begründung:

Menschen mit Behinderung, die in Wohneinrichtungen leben, erhalten bereits heute – unabhängig vom Pflegebedarf – nur eine auf 266,- Euro pro Monat gedeckelte Pauschale (§ 43 a SGB XI). Dies ist eine nicht hinzunehmende Diskriminierung von Menschen mit Behinderung. Der vorliegende Entwurf hält an dieser Deckelung fest und weitet sie sogar aus. Menschen mit Behinderung werden damit weiterhin die vollen finanziellen Leistungen der Pflegeversicherung versagt. Dieser Zustand ist zu beenden.

2. Die Schnittstelle zwischen den Leistungen der Eingliederungshilfe und den Leistungen zur Pflege muss transparent und eindeutig gesetzlich festgeschrieben sein.

Begründung:

Die Abgrenzung zwischen den Leistungssystemen der Pflegeversicherung, der Hilfe zur Pflege und der Eingliederungshilfe sind nicht eindeutig und hinreichend klar geregelt; dies, weil der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff teilhabeorientiert ist (zum Beispiel Assistenzleistungen im außerhäuslichen Bereich wie Umkleiden, Toilettengang können sowohl der Pflege als auch der Eingliederungshilfe zugeordnet werden). Es ist zu erwarten, dass hieraus in der praktischen Umsetzung zahlreiche Rechtsstreitigkeiten entstehen werden, die letztendlich auch die betroffenen Menschen belasten können. Dieses Konfliktpotenzial wird verschärft durch die unterschiedlichsten Freigrenzen beim Vermögenseinsatz: Bei der Eingliederungshilfe gilt ab dem 01.01.2020 künftig ein Vermögensfreibetrag von rund 50.000,- Euro, bei der Hilfe zur Pflege sind es dann lediglich rund 25.000,- Euro, also nur die Hälfte.

3. Alle Menschen mit Behinderung sollen am Arbeitsleben teilhaben können.

Begründung:

Alle Menschen mit Behinderung sollen – unabhängig vom Umfang ihres Unterstützungsbedarfs – Zugang zu Arbeits- und Beschäftigungsangeboten haben. Dies bedeutet in der Konsequenz, dass gerade Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf nicht ausgeschlossen werden dürfen, insbesondere dann nicht, wenn ihnen behinderungsbedingt die Teilnahme an einer vorgeschalteten Maßnahme der beruflichen Bildung verwehrt wurde.

4. Eine selbstbestimmte Lebensführung ist durch eine weitergehende Privilegierung von Einkommen und Vermögen zu stärken.

Begründung:

Die mit dem Entwurf geplante Anhebung von Einkommens- und Vermögensgrenzen kann ein erster Schritt zu einer selbstbestimmteren Lebensführung sein. Dennoch wird Menschen mit Behinderung keine vollständige Teilhabe damit ermöglicht. Vermögensfreigrenzen sollten so ausgestaltet sein, dass es Menschen mit Behinderung auch ermöglicht wird, beispielsweise auf den Erwerb von (selbstgenutztem) Wohneigentum anzusparen.

5. Die Herstellung inklusiver Lebensverhältnisse ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, an deren Kosten sich der Bund beteiligen und einen Beitrag zur Entlastung der Träger der Eingliederungshilfe leisten muss.

Begründung:

Es ist zu erwarten, dass durch die Reform eine neue Kostendynamik ausgelöst wird, zum Beispiel durch die höheren Freibeträge bei Einkommen und Vermögen, dem neuen Behinderungsbegriff und durch erleichterte Zugangskriterien zur Teilhabe am Arbeitsleben (Wegfall Tatbestandsmerkmal wesentliche Behinderung / erhebliche Teilhabeeinschränkung).
Die Reform der Eingliederungshilfe braucht eine verlässliche finanzielle Grundlage. Die Kosten der Eingliederungshilfe können nicht alleine von den Trägern der Eingliederungshilfe geschultert werden. Der Bezirk Mittelfranken erwartet, dass der Bund – wie im Koalitionsvertrag vereinbart – einen Beitrag zur finanziellen Entlastung der Träger der Eingliederungshilfe leistet. Da die Herstellung inklusiver Lebensverhältnisse eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe darstellt, ist eine Drittelung der Kosten zwischen Bund, Land und Kommunen eine sachge-rechte Lösung. Ein erster Schritt zur Beteiligung des Bundes an den Kosten der Eingliederungshilfe könnte die Einführung eines Bundesteilhabegeldes sein. Wie wichtig eine dynamische Beteiligung des Bundes an der Eingliederungshilfe ist, zeigt sich daran, dass der zugesagte Entlastungsbetrag von 5 Mrd. Euro allein schon durch Kostensteigerungen in der Eingliederungshilfe zwischen Koalitionsvertrag (2013) und dem ersten Jahr der vollen, angekündigten Entlastung (2018) aufgezehrt sein wird.

6. Der Personenkreis der leistungsberechtigten Menschen mit Behinderung darf nicht eigenschränkt werden.

7. Es darf zu keinen Leistungseinschränkungen und Leistungskürzungen kommen. Standards in der Eingliederungshilfe dürfen durch das Bundesteilhabegesetz nicht abgesenkt werden.

Der Bezirk Mittelfranken erwartet vom Deutschen Bundestag, dass er die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen so gestaltet, dass den Menschen mit Behinderung eine volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft möglich ist und die Finanzierbarkeit der Leistungen für die Kostenträger sichergestellt wird.

Quelle: Bezirk Mittelfranken – Pressestelle

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